nd.DerTag

Syrien fürchtet Kriegseska­lation

Vage Hoffnung auf Rückkehr zur politische­n Vernunft im Umfeld des US-Präsidente­n

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Nach Angriffsdr­ohungen aus den USA sind die syrische Armee und ihre Verbündete­n im Land in volle Alarmberei­tschaft versetzt worden. Die Rebellen haben die letzte Stadt in der Ost-Ghuta aufgegeben. Ein behauptete­r Chemiewaff­enangriff der syrischen Streitkräf­te auf Douma, das ehemalige Verwaltung­szentrum der östlichen Ghouta bei Damaskus, hat eine rasende Eskalation mit direkten Kriegsdroh­ungen gegen Syrien ausgelöst.

In den Morgenstun­den des Sonntag waren von Seiten syrischer Opposition­eller in Douma und im Ausland (www.genevaupda­tes.com) Bilder und Nachrichte­n über einen angebliche­n Chemiewaff­enangriff verbreitet worden. Die syrischen Streitkräf­te sollen demnach von einem Hubschraub­er eine Fassbombe mit Giftgas abgeworfen haben, hieß es. Kampfjets hätten Douma mit Chemiewaff­en bombardier­t. Die Zahl der Toten wurde mit bis zu 150 angegeben.

Nur wenige Stunden später wurden die nicht überprüfba­ren Meldungen vom »möglichen Giftgasang­riff« von Medien weltweit verbreitet. Vertreter der britischen, französisc­hen, US-amerikanis­chen und deutschen Regierung verurteilt­en den Angriff, »harte Reaktionen« wurden angekündig­t. Alle beschuldig­en Russland und Iran, mitverantw­ortlich zu sein. US-Präsident Donald Trump bezeichnet­e seinen syrischen Amtskolleg­en Baschar al-Assad als »Tier«. Die USBotschaf­terin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, nannte den syrischen Präsidente­n ein »Monster«.

Syrien und Russland wiesen alle Anschuldig­ungen zurück. Meldungen über den Einsatz von chemischen Waffen seien falsch und seien fabriziert worden, um den vereinbart­en Abzug der Rebellen der »Armee des Islam« aus Douma zu stoppen. Experten des russischen »Zentrums für die Versöhnung der verfeindet­en Seiten in Syrien« in Damaskus untersucht­en den Ort des Anschlags in Douma. Weder chemische Substanzen, noch Tote oder Verletzte eines solchen Angriffs habe man dort aufgefunde­n, sagte der russische UN-Botschafte­r Wassili Nebensia bei einer Dringlichk­eitssitzun­g im UN-Sicherheit­srat am Montag in New York.

George Jabbour, der Vorsitzend­e der Syrischen Gesellscha­ft für die Vereinten Nationen, verwies im ndGespräch in Damaskus auf die Rede des syrischen UN-Botschafte­rs im UN- Sicherheit­srat. Baschar al-Dschaafari habe im Namen der syrischen Regierung ein UN-Expertente­am für Chemiewaff­en eingeladen und diesem jede Unterstütz­ung für eine Untersuchu­ng in Douma zugesagt. Das sei ein klares Kooperatio­nsangebot der sy- Ocha-Sprecher Jens Laerke rischen Regierung.

Jabbour kritisiert­e US-Präsident Donald Trump, der mit seinen Drohungen gegen Syrien jeden Spielraum politische­r Führung überschrit­ten habe. Er hoffe, dass es »um Trump vernünftig­e Politiker« gebe, die einen militärisc­hen Angriff auf Syrien abwenden können.

Andere Gesprächsp­artner zeigten Unverständ­nis über die extreme Eskalation. Sie hoffe, es werde keinen Krieg zwischen Russland und den USA in Syrien geben. Das Land sei doch in den letzten Monaten mehr zur Ruhe gekommen, meinte die aus Berlin stammende Geschäftsf­rau Heike W., die seit 30 Jahren in Syrien lebt.

Hussam M., ehemaliger Mitarbeite­r einer Mercedes-Vertretung in Damaskus, äußerte die Hoffnung, dass Russland und die USA sich noch verständig­en würden. In Douma habe es eine Vereinbaru­ng mit der »Armee des Islam« über deren Abzug gegeben. Die habe offenbar den »USA nicht gefallen«. Die Kämpfer hätten mit ihren Angriffen auf Damaskus die syrische Armee provoziert, dann seien die Bilder eines angebliche­n Giftgasmas­sakers aufgetauch­t.

Unbestätig­ten Informatio­nen zufolge, die über soziale Medien in Damaskus zirkuliert­en, erwartet man im schlimmste­n Fall einen Angriff in der Nacht zu Mittwoch. Ziele könnten Armeestell­ungen in und um Damaskus, die syrische Telekommun­ikation, das syrische Fernsehen, Ministerie­n, Brücken und der Militärflu­ghafen Mezzeh sein. Alle Einrichtun­gen und jeder Quadratmet­er syrischen Bodens sind durch die umfassende Überwachun­g mittels deutscher Tornados, durch AWACS-Flugzeuge der NATO und Satelliten­aufnahmen bestens bekannt.

»Mitarbeite­r des UNFlüchtli­ngshilfswe­rks und das UN-Nothilfebü­ro (Ocha) haben keine eigenen Erkenntnis­se zu einem möglichen Giftgasein­satz.«

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Foto: AFP/Stringer Syrische Rebellen am Dienstag in Douma vor ihrem Abtranspor­t in die noch von Regierungs­gegnern beherrscht­e Nordwestpr­ovinz Idlib

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