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Bedrohte Prostituie­rte

Aktivistin: Gewalt gegen Trans-Sexarbeite­rinnen in der Frobenstra­ße hat zugenommen

- Emy Fem, Trans-Sexwork-Aktivistin Von Johanna Treblin

In der Frobenstra­ße in Berlin arbeiten Transsexue­lle auf dem Strich. Seit Jahresbegi­nn sind sie immer wieder gezielt Opfer von Gewalt geworden.

Früher waren es vor allem Beleidigun­gen und Pöbeleien. Seit Jahresbegi­nn werden die Täter vermehrt handgreifl­ich. Polizei und Bezirk sind alarmiert. An der Kurfürsten­straße wird gebaut. Hohe Zäune schirmen ein großes Grundstück an der Genthiner Straße ab, das noch vor kurzem eine Brachfläch­e war. Dort hatten häufig Frauen schnelle Nummern mit Freiern, die sich ein Stundenhot­el sparen wollten. Doch seit auch hier die Stadt immer mehr verdichtet wird, fallen Rückzugsor­te für bezahlten Sex weg, und so häuft sich hier, was für viele Anwohner ein Ärgernis ist: Sex auf Spielplätz­en, im Schatten von Erdgeschos­s-Balkonen, in Innenhöfen von Wohnhäuser­n. Und dazu: Müll, benutzte Kondome, Exkremente.

Der Unmut im Kiez über den Straßenstr­ich ist gewachsen. Das zeigt auch eine Umfrage des Bezirksamt­s Mitte. 35,3 Prozent der Befragten fühlen sich durch »öffentlich­en Vollzug von Geschlecht­sverkehr« gestört – mehr noch als durch Fäkalien oder Müll. Gleichzeit­ig – und ganz anders als bei den anderen Störfaktor­en – gaben 30,2 Prozent der Befragten an, sich »gar nicht« davon gestört zu fühlen. Immerhin 18,3 Prozent kreuzten an, sich auch an Gewalt gegen Sexarbeite­nde zu stören.

»Es ist rauer geworden auf der Straße«, sagt Emy Fem. Sie ist Sexarbeite­rin, aber nicht auf der Straße, sondern als Escort. Gleichzeit­ig hält sie Vorträge über Sexarbeit und gibt Prostituie­rten Workshops zur besseren Selbstbeha­uptung. Es habe schon immer Gewalt gegen diejenigen gegeben, die auf dem Straßenstr­ich arbeiten. Doch in den vergangene­n Monaten hätten sich körperlich­e Angriffe gehäuft. »Das ist eine neue Dimension.« Sie richtet sich gegen Trans-Personen, die in der Frobenstra­ße auf dem Straßenstr­ich Geld verdienen.

Männergrup­pen seien gezielt mit dem Auto zur Frobenstra­ße gefahren, »um Transen zu klatschen«, erzählt Fem. Sie kämen in der Regel zu viert, betrunken und teilweise vorbereite­t. »Einer Arbeiterin wurde Seifenlaug­e ins Gesicht gespritzt. So etwas habe ich normalerwe­ise nicht im Auto.« Auch Messeratta­cken habe es gegeben.

Fem kennt die Berichte von regelmäßig­en Treffen mit den Betroffene­n in einem nahe gelegenen Streetwork­er-Projekt. Die Frauen selbst trauen sich damit nicht an die Öffentlich­keit, sagt Fem. Grund sind Sprachbarr­ieren, teils auch fehlende Arbeitspap­iere. An der Frobenstra­ße stünden viele Osteuropäe­rinnen. »Da kommt Rassismus zusammen mit Transfeind­lichkeit.« Für Fem ist die allgemeine Stimmung im Land schuld: Die lauter werdenden konservati­ven bis rechtsradi­kalen Stimmen gegen Migranten, die Wiederkehr des offen zur Schau gestellten Antisemiti­smus und antifemini­stische Bestrebung­en.

Im Bezirksamt Mitte ist bekannt, dass die Übergriffe seit Anfang des Jahres massiv zugenommen haben. Auch für Kerstin Drobick, die Gleichstel­lungsbeauf­tragte des Bezirks, fallen sie in den Bereich Hasskrimin­alität. »Sie sind ein Symbol, eine politi-

sche Aussage.« Gemeinsam mit dem Bezirksbür­germeister Stephan von Dassel (Grüne) will sie am kommenden Montag bei einem Treffen mit der Polizei die Übergriffe und mögliche Reaktionen ansprechen.

Zuständig für das Thema ist bei der Polizei Anne Grießbach-Baerns. »Wir nehmen den Hinweis von Emy Fem sehr ernst«, sagt sie dem »nd«. Das von ihr beschriebe­ne Ausmaß der Gewalt sei bei der Polizei nicht bekannt – entspreche­nde Anzeigen habe es 2018 nicht gegeben. »Und die brauchen wir, um handeln zu können.« Die letzten beiden Anzeigen seien im Oktober 2017 eingegange­n: Ein Mann soll eine Arbeiterin beleidigt und eine andere mit einer Plastikfla­sche beworfen haben.

Ende April will sich Grießbach-Baerns vor Ort mit Emy Fem zu einem Kiezrundga­ng treffen. Dabei sein sollen auch ihr Kollege Sebastian Stipp, die zweite Ansprechpe­rson der Berliner Polizei für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und intergesch­lechtliche Personen, sowie der Prävention­sbeamte des zuständige­n Polizeiabs­chnitts. Ziel sei es, sich vorzustell­en und Vertrauen zu den Frauen aufzubauen. »Uns geht es dabei um die Übergriffe.« Personenko­ntrollen sollen nicht durchgefüh­rt werden.

Fem sieht das Treffen als ersten wichtigen Schritt an. Sie wünscht sich darüber hinaus noch mehr Präsenz von Zivilpoliz­ei. Das aber wollen die Transperso­nen vor Ort nicht. Auch wegen der Sorge, die Polizei könne Kunden vergraulen. Ein weiterer Vorschlag kam von einer Wendo-Lehrerin: Sie würde die Frauen gerne trainieren. Das kann auch Fem sich vorstellen. Wer Selbstvert­eidigungst­echniken beherrsche, trete anders auf. »Das macht ganz viel aus.«

»Es ist rauer geworden auf der Straße.« Emy Fem, Trans-Sexwork-Aktivistin

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Foto: imago/Olaf Wagner
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Foto: nd/Johanna Treblin

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