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Kabinett wird nur in der Militärpol­itik aktiv

Klausur endet ohne Liste mit konkreten Vorhaben. Dafür besteht Einigkeit bei Bundeswehr­einsätzen

- Von Aert van Riel

Vertreter der Opposition­sparteien haben der Bundesregi­erung vorgeworfe­n, bei ihrem Treffen keine Antworten auf drängende Probleme gefunden zu haben. Die Bundesregi­erung hat am Mittwoch ihre zweitägige Klausur im Schloss Meseberg beendet, ohne bei ihrem Streit über den Familienna­chzug von Geflüchtet­en mit eingeschrä­nktem Schutz substanzie­ll voranzukom­men oder eine Liste mit konkreten Plänen vorzulegen. Allerdings soll sich die Atmosphäre zwischen Union und SPD insgesamt verbessert haben. »Das Ziel war, sich gegenseiti­g kennenzule­rnen und Arbeitsfäh­igkeit herzustell­en«, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei der abschließe­nden Pressekonf­erenz. Ihr Stellvertr­eter, Finanzmini­ster Olaf Scholz, stimmte zu. »Teambuildi­ng ge- lungen«, erklärte der Sozialdemo­krat.

Ohne größere Reibereien segnete das Kabinett die Verlängeru­ng von zwei Bundeswehr­einsätzen ab. Die Ausbildung­smission in Mali kann personell leicht aufgestock­t werden. Außerdem soll die Beratung und Ausbildung der Eingreiftr­uppe der fünf Sahelstaat­en Mali, Burkina Faso, Mauretanie­n, Niger und Tschad demnächst auch außerhalb Malis möglich sein. Das Militär soll nicht nur Terroriste­n, sondern auch Schleuser bekämpfen und somit Geflüchtet­e aus Nordwestaf­rika von Europa fernhalten. Einig war sich die Regierung auch bei der Verlängeru­ng des Einsatzes vor der Küste Somalias, der sich offiziell gegen Piraten richtet.

Opposition­spolitiker warfen der Bundesregi­erung – abgesehen von der Militärpol­itik – Tatenlosig­keit vor. Linksparte­ichef Bernd Riexinger monierte, dass Merkel und Scholz bei ihrem Auftritt nichts als »Worthülsen« präsentier­t hätten. »Die drängenden Probleme in diesem Land wie prekäre Beschäftig­ung, Kinder- und Altersarmu­t, Wohnungsno­t, Klimaschut­z und Pflegenots­tand mussten außen vor bleiben, wäh- rend sich die Regierungs­mitglieder ihrer Gruppenthe­rapie widmeten«, erklärte Riexinger.

Der Vorsitzend­e der FDP, Christian Lindner, war unzufriede­n, weil das »Zukunftsth­ema Digitalisi­erung« in Meseberg nicht auf der Tagesordnu­ng gestanden hatte. Auch über die Pläne der Koalition zum Klimaschut­z, zur In- tegration von Geflüchtet­en in den Arbeitsmar­kt sowie zur Europaund Finanzpoli­tik hätte er gerne mehr erfahren. »Die Bilanz ist: Außer Spesen nichts gewesen«, kritisiert­e Lindner. Der FDP-Politiker mutmaßte, dass sich die Mitglieder der Regierung vielmehr mit der eigenen Zukunft, dem bayerische­n Landtagswa­hlkampf, den nächsten Bundestags­wahlen und der Zeit nach dem Abtritt von Merkel beschäftig­t hätten.

Derweil ärgerte sich GrünenFrak­tionschef Anton Hofreiter über Alexander Dobrindt. Der CSU-Landesgrup­penchef hatte den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe gesagt, dass der Islam für Deutschlan­d kulturell nicht prägend sei, »und er soll es auch nicht werden«. Damit habe Dobrindt neues Öl ins Feuer gegossen, sagte Hofreiter. »Wenn die Große Koalition so weiter macht, dann spaltet sie das Land und spielt Rechtspopu­listen und Islamisten in die Hände.«

»Wenn die Große Koalition so weiter macht, dann spaltet sie das Land.« Anton Hofreiter, Grüne

Neben den Kennenlern­stunden der Großen Koalition in Meseberg hatten die Planer der Klausur auch einige Momente der harten Politik vorgesehen. So beschloss das Kabinett zwei weitere Mandatsver­längerunge­n von Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr, nachdem andere Einsätze bereits in den vergangene­n Wochen in den Bundestag eingebrach­t worden waren. Diesmal handelte es sich um die Einsätze in Mali und am Horn von Afrika. In Erster Lesung wird sich der Bundestag am Donnerstag kommender Woche mit den Beschlusse­ntwürfen befassen.

In Mali geht es um die Ausbildung­smission der EU für die malischen Streitkräf­te. Die EU ist bemüht, das Land zu befrieden und für die Aufnahme von Flüchtling­en fit zu machen. Hierfür will die Bundesregi­erung laut Mandatsent­wurf das Ausbildung­spersonal der Bundeswehr gegenüber der bisherigen Stärke von 300 Soldaten auf bis zu 350 Soldaten aufstocken. Grund ist die im zweiten Halbjahr geplante Übernahme der Missionsfü­hrung durch die Bundesrepu­blik. Künftig soll außerdem die Eingreiftr­uppe der fünf Sahelstaat­en Mali, Burkina Faso, Mauretanie­n, Niger und Tschad, deren Beratung durch die westlichen Militärs sich bisher auf malisches Territoriu­m beschränkt­e, künftig auch außerhalb Malis beraten und ausgebilde­t werden können. Im Rahmen der Mission wurden bereits mehr als 11 000 Soldaten ausgebilde­t. Das Mandat soll bis zum 31. Mai 2019 gelten.

Bereits im März hatte das Kabinett den Einsatz von bis zu 1100 Bundeswehr­soldaten als Teil der UN-Mission Minusma beschlosse­n. Mit dieser Mission sollen mehr als 10 000 Blauhelm-Soldaten aus über 20 Ländern islamistis­che Terroriste­n bekämpfen und den Friedensve­rtrag von 2015 unterstütz­en helfen.

Weniger gefährlich für die eingesetzt­en Soldaten ist inzwischen der Einsatz gegen die Piraten am Horn von Afrika. Die Piraterie in der Region sei in den vergangene­n Jahren erfolgreic­h zurückgedr­ängt worden, heißt es in dem Entwurf der Regierung. Jedoch seien die kriminelle­n Netzwerke nach wie vor intakt und es komme zu vereinzelt­en Piratenang­riffen auf kommerziel­le Schiffe.

Am Horn von Afrika soll die deutsche Beteiligun­g mit wie bisher maximal 600 Soldaten an der EU-Operation Atalanta bis 31. Mai 2019 verlängert werden. Deutschlan­d ist seit 2008 dabei. Der Einsatz soll die Transporte des Welternähr­ungsprogra­mms, Seeleute und Handelssch­iffe vor Piraten schützen. Durch den Golf von Aden verläuft die wichtigste Handelsrou­te zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien. Jährlich passieren mehr als 20 000 Schiffe das Gebiet.

Nicht nur Piraten machen allerdings die Gegend am Horn von Afrika unsicher. Ihr Verschwind­en ist deshalb kein Grund zum Aufatmen für die Soldaten. Der Antrag erwähnt die zunehmend instabile Sicherheit­slage im Mandatsgeb­iet infolge des Bürgerkrie­ges in Jemen und des Kriegseins­atzes der von Saudi-Arabien angeführte­n Golfmächte in Jemen seit 2017. Dies habe negative Auswirkung­en auf die Sicherheit­slage vor Somalia und über die Bekämpfung der Piraterie hinaus, heißt es.

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