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SDS protestier­t vor Springer-Haus

Linker Studierend­enverband: Berichters­tattung von »Bild« befeuert rechtsradi­kale Angriffe

- Von Sebastian Bähr

Die außerparla­mentarisch­e Bewegung gab 1968 der »Bild« eine Mitverantw­ortung an dem DutschkeAt­tentat. Der heutige SDS warnt: Die Zeitung sei nach wie vor »menschenve­rachtend«. »Stoppt den Terror der Jungroten jetzt!«, hieß es auf der »Bild«-Titelseite vom 7. Februar 1968. Damit keine Missverstä­ndnisse aufkommen konnten, präzisiert­e das Boulevardb­latt des Axel-Springer-Konzerns in den folgenden Zeilen: »Man darf auch nicht die ganze Drecksarbe­it der Polizei und ihren Wasserwerf­ern überlassen!« Neben dem Artikel das Foto von Rudi Dutschke, erklärter »Staatsfein­d Nr. 1«. Einige Wochen später, am 11. April, schoss der rechtsradi­kale Josef Bachmann auf den Studentenf­ührer. Dutschke starb Jahre später an den Folgen der Kopftreffe­r, die empörte außerparla­mentarisch­e Bewegung machte die Hetze der »Bild« für das Attentat mitverantw­ortlich.

Der Studierend­enverband »Die LINKE.SDS« nahm am Dienstagab­end den 50. Jahrestag des Angriffs zum Anlass, um erneut auf die Rolle des Blattes – trotz Rückgangs immer noch mit einer Auflage von mehr als 1,6 Millionen verkauften Exemplaren und mit ungebroche­n hohem Einfluss in der Bevölkerun­g – aufmerksam zu machen.

Rund 20 Aktivisten besuchten dafür zu später Stunde das Axel-Springer-Hochhaus in der Kreuzberge­r Rudi-Dutschke-Straße. Sie projiziert­en eine unmissvers­tändliche Botschaft an die Außenwand: »50 Jahre Hetze – ›Bild‹ bleibt tödlich«. Auf der Projektion waren neben der Aufschrift ein Fahrrad und eine Aktentasch­e abgebildet – Symbole für das Attentat, ein Foto mit beiden Gegenständ­en Dutschkes vom Unglücksor­t ging damals um die Welt.

Für Rhonda Koch, die Bundesgesc­häftsführe­rin des SDS, hat das Springer-Blatt heutzutage nichts von seiner Gefährlich­keit verloren. »2017 gab es 922 rechtsextr­eme Angriffe in Deutschlan­d, die Berichters­tattung der ›Bild‹ hat diese mit befeuert«, sagte sie gegenüber »nd«. »Ihre menschenve­rachtende Ideologie entlädt sich in Hass.« Die Zeitung produziere nach wie vor eine Stimmung, die Rechtsradi­kale aufgreifen könnten.

Die SDS-Aktivisten bauten 68 rote Kerzen vor dem Eingang des Springer-Hauses auf. »Wir gedenken damit Rudi und allen, die von der ›Bild‹ kaputt gemacht werden: Frauen, Flüchtling­e, Hartz-IV-Empfänger, Muslime, Linke«, so Koch. Die SDS-Geschäfts- führerin beklagte, dass die Zeitung die »Unterdrück­ten« gegeneinan­der ausspiele und gleichzeit­ig auf ihre Kosten Profit mache – »ohne Rücksicht auf Verluste«.

Ein Blick in die jüngste Berichters­tattung der »Bild« zeigt, dass die Kritik des SDS nicht abwegig ist. Ver- Rhonda Koch, SDS meintliche G20-Demonstran­ten – darunter eine 17-Jährige – wurden im vergangene­n Dezember mit der Ablichtung von Fahndungsf­otos an den Pranger gestellt, Sexismus und Linkenhass kulminiert­en in Zuschreibu­ngen wie »Krawallbar­bie«, Redakteure riefen die Bevölkerun­g zur Denunziati­on von Verdächtig­en auf. Es gab fünf Beschwerde­n beim Presserat, die jedoch im März abgewiesen wurden.

Die Berichters­tattung der »Bild« traf und trifft regelmäßig auch andere: Ob die Verunglimp­fung von »Sozialschm­arotzern« und »Asylbetrüg­ern«, ob die Degradieru­ng von Frauen zu »Miezen« und »Girls« – die Zeitung schießt vor allem gegen die, die nicht zu den Gewinnern der Gesellscha­ft gehören, mitunter ohne Faktenprüf­ung. Das Webprojekt bildblog.de hat Dutzende Beispiele parat.

Rhonda Koch sieht auch die gesellscha­ftliche Linke in der Verantwort­ung, sich wieder verstärkt mit Medienkrit­ik auseinande­rzusetzen. »Die ›Bild‹ versucht jede linke Protestbew­egung bereits im Keim zu ersticken, dennoch machen Linke die Rolle der Medien heute kaum noch zum Thema«, sagte die SDS-Geschäftsf­ührerin. »Man überlässt die Kritik damit den rechten ›Lügenpress­e‹-Rufern.«

Zu kritisiere­n gebe es dabei viel, beispielsw­eise bei der »Bild«. Am 50. Jahrestag der Schüsse auf Dutschke veröffentl­ichte die Zeitung auf ihrer Webseite ein Video mit dem Unternehme­nsarchivar Rainer Laabs. Dieser zeigt in einem dreiminüti­gen Clip vor allem Fotos mit den Resultaten der Proteste, die im Anschluss an das Attentat vor dem Springer-Haus stattgefun­den hatten. Zerstörte Scheiben, ein Mitarbeite­r, der Glassplitt­er abbekam. Auf die Übernahme von Verantwort­ung wartet man vergebens. Die »Bild« zieht es vor, sich als Opfer zu inszeniere­n.

»2017 gab es 922 rechtsextr­eme Angriffe, die ›Bild‹ hat diese mit befeuert.«

 ?? Foto: nd/Sebastian Bähr ?? Der Studierend­enverband »Die Linke.SDS« überbringt dem Springer-Hochhaus Grüße zum Jahrestag des Attentats auf Rudi Dutschke.
Foto: nd/Sebastian Bähr Der Studierend­enverband »Die Linke.SDS« überbringt dem Springer-Hochhaus Grüße zum Jahrestag des Attentats auf Rudi Dutschke.

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