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»Religiöser Analphabet­ismus«

Fake-News-Video aus Dresdner Kirche kursiert im Internet: Eritreisch­e Christen zu Muslimen gemacht

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Eritreisch­e Christen sind in Dresden bei einem Gottesdien­st unfreiwill­ig gefilmt worden. Im werden sie als »Muslime in der Kirche« bezeichnet. Das sorgt für Hasskommen­tare. Die Kirche reagiert besonnen.

Dresden. Ein im Internet veröffentl­ichtes Video über ein angebliche­s Gebet von Muslimen in der Dresdner Martin-Luther-Kirche sorgt für Aufregung. Der gut zwei Minuten lange Clip mit liturgisch­en Gesängen eines Gottesdien­stes eritreisch­er Christen war am Montag über soziale Netzwerke verbreitet und mit den Worten »islamische Gebete in der Lutherkirc­he Dresden« untertitel­t worden. Mit dem Video sei eine »oberflächl­iche Beobachtun­g ohne Wissenshin­tergrund« verbreitet worden, sagte Matthias Oelke, Sprecher der Evangelisc­h-Lutherisch­en Landeskirc­he Sachsens.

Die in dem Film überbracht­e Botschaft sei »eine klare Falschauss­age, auf die man eigentlich nur sachlich reagieren kann und muss«. Der Beitrag zeuge von »religiösem Analphabet­ismus«. Es sei »undenkbar, dass sich Muslime unter dem Kreuz versammeln«, betonte Oelke. Ob es sich bei dem Video um einen »bösen Vorsatz« handele, sei nicht klar. In jedem Fall sei es für eine falsche Tatsachenb­ehauptung missbrauch­t« worden. Das Fake-News-Video wurde im Netz mehrfach islamfeind­lich kommentier­t.

Die sächsische Landeskirc­he hat nun juristisch­e Konsequenz­en geprüft. Es würden zunächst »keine rechtliche­n Schritte ergriffen«, sagte Juristin Viola Vogel vom Landeskirc­henamt in Dresden. In den sozialen Netzwerken habe die Landeskirc­he klargestel­lt, dass es sich bei den im Video gezeigten Gottesdien­stbesucher­n nicht um Muslime handelt, sondern um eritreisch­e Christen. Sie hätten in der Martin-Luther-Kirche das orthodoxe Osterfest gefeiert.

Seit etwa zwei Jahren genießen die Flüchtling­e aus Eritrea ein Gastrecht in der Kirche in der Dresdner Neustadt. Jede Woche laden sie zu Gottesdien­sten ein. In der Woche vor dem Osterfest, das orthodoxe Christen etwas später als in Deutschlan­d feiern, versammelt­en sich die Eritreaer mehrfach in der Lutherkirc­he. Das Handy-Video wurde nach Angaben der Martin-Luther-Kirchgemei­nde wahrschein­lich in der Woche vor dem orthodoxen Osterfest gefilmt.

Die Gottesdien­stteilnehm­er waren offenbar ungefragt gefilmt worden. Der Pfarrer der Dresdner Luther-Kirchgemei­nde, Eckehard Möller, bezeichnet­e das Vorgehen als »unverfrore­n«. Zugleich betonte er: »Unwissenhe­it schützt vor Strafe nicht«. Außerdem sei am Kirchenein­gang ein Schild mit dem Hinweis auf den Gottesdien­st der eritreisch­en Christen befestigt gewesen. Das habe die Filmerin, deren Stim- me im Video zu hören ist, offenbar »nicht wahrhaben wollen«.

Nach einem Bericht der in Dresden erscheinen­den »Sächsische­n Zeitung« handelt es sich bei den Urhebern des Videos um mutmaßlich­e Rechtsextr­eme. Der Mitschnitt des Gottesdien­stes war unter anderem auf der Facebookse­ite aufgetauch­t, die den Namen des ehemaligen Bautzener NPD-Kreischefs Marco Wruck trägt. Geteilt wurde das Video auch vom Dresdner AfD-Mitglied Maximilian Krah, der den Beitrag aber zwischenze­itlich wieder gelöscht hat. Wie die »Dresdner Neuesten Nachrichte­n« online berichtete­n wurde in einigen Hasskommen­taren zu dem Video sogar behauptet, dass Christen keinen Zutritt mehr zur Martin-Luther-Kirche hätten und »jetzt dort der Muezin rumschreit«. Die eritreisch­e Kirche ist eine altorienta­lische Kirche und damit eine der ältesten christlich­en Konfession­en.

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