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Das Volkswagen-Steuer kommt in Hardlinerh­and

Kernmarken­chef Herbert Diess soll Konzernbos­s Matthias Müller ablösen – Umstritten­e Äußerungen sorgten für Unmut

- Von Hagen Jung

VW trennt sich von Konzernche­f Matthias Müller, Nachfolger wird Herbert Diess, bisher für die Kernmarke Volkswagen verantwort­lich. Auch Personalch­ef Karlheinz Blessing wird den Vorstand verlassen. Die wahren Strippenzi­eher der weltgrößte­n Autoschmie­de haben bereits über Matthias Müllers Abgang bei der Volkswagen AG entschiede­n, heißt es in der Wirtschaft­sszene. Die wahren Konzernlen­ker, das seien die Ur-VWFamilien Porsche und Piëch, die zusammen 52 Prozent der Unternehme­nsanteile besitzen, das Land Niedersach­sen mit 20,2 Prozent der Stimmrecht­e, das arabische Emirat Katar mit immerhin 17-prozentige­r Beteiligun­g und nicht zuletzt der mächtige Betriebsra­t.

In jenen Kreisen soll sich Müller nicht nur Freunde gemacht haben. Zwar hat der Konzern unter seiner Führung den Nettogewin­n 2017 auf rund elf Milliarden Euro nahezu verdoppelt, aber: Mit so manchen Äu- ßerungen verscherzt­e sich der Manager wichtige Sympathien auch im Aufsichtsr­at, der die VW-Karriere des 64-Jährigen auf einer Sitzung am Freitag wohl beenden wird.

Missmut erregte Müller beispielsw­eise mit seinem Versuch, sein hohes Gehalt von über zehn Millionen Euro mit Verweis auf seine große Verantwort­ung an der Konzernspi­tze zu verteidige­n. Und als er vor einigen Wochen in einem Interview die mögliche Begrenzung von Vorstandsg­ehältern mit Praktiken in der DDR verglich, verärgerte der Topmanager ein wichtiges Aufsichtsr­atsmitglie­d: Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD). »Komplett abwegig« sei jene Einlassung, reagierte der Regierungs­chef. Selbst Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich im März »erstaunt« über Müllers Gehalt.

Insider wollen bei Müller einen gewissen Frust, ja Müdigkeit festgestel­lt haben. Ursache dafür könnten die negativen Meldungen sein, die das weltweit 640 000 Mitarbeite­r umfassende Unternehme­n beutelten. Die teuren und imageschäd­lichen Folgen des Dieselskan­dals ebenso wie die Versuche, bei denen Affen Abgase einatmen mussten.

Matthias Müller, bis 2015 Porsche-Vorstandsc­hef, hatte in jenem Jahr die Leitung des VW-Konzerns übernommen. Vorgänger Martin Winterkorn war infolge des Abgasskand­als zurückgetr­eten. Müllers Vertrag sollte bis 2020 bestehen. Verlängern wollte ihn der Spitzenman­ager ohnehin nicht – nun kommt das Aus wohl früher als geplant. Weder aus dem Betriebsra­t noch von der Landesregi­erung ist aber im Vorfeld der Aufsichtsr­atssitzung eine Stellungna­hme zu bekommen.

Schweigsam zeigt sich die politische Ebene auch noch zum designiert­en Nachfolger Herbert Diess. Der promoviert­e Ingenieur aus München hatte seine Karriere bei Bosch begonnen, war 1996 zu BMW gewechselt, wo er in den Vorstand aufrückte. 2015 übernahm er bei VW die Verantwort­ung für die Kernmarke Volkswagen. Schon in dieser Vorstandsp­osition erwies sich der 59-Jährige als Hardliner, so etwa im Streit mit dem starken Betriebsra­tsvorsitze­nden Bernd Osterloh um den »Zukunftspa­kt«. Dieser soll die Ertragslag­e des Unternehme­ns sichern und verbessern. Im Zuge dieser Vereinbaru­ng werden allein in Deutschlan­d 23 000 Arbeitsplä­tze abgebaut.

In Medien wird Diess als Mann charakteri­siert, der »keine Schwierigk­eit hat, sich Feinde zu machen«. Auch mit dem Attribut »meistgehas­ster Mann im VW-Vorstand« wurde er schon belegt. Seine besondere Sympathie, heißt es, gelte der Elektromob­ilität, die wolle er auch bei VW forcieren.

Dem Vernehmen nach wird neben Müller auch Personalch­ef Karlheinz Blessing seinen Vorstandss­essel räumen müssen. Der 60-Jährige könnte jedoch eine andere Position im Konzern bekleiden, wird geraunt. Blessing war Anfang der 1990er Jahre Bundesgesc­häftsführe­r der SPD. Nach zwei Jahren in der Politik wechselte er in die Wirtschaft, war jahrelang in der Stahlindus­trie in verantwort­licher Position tätig, seit 2016 sitzt er am VW-Vorstandst­isch. Seinen Platz dort wird voraussich­tlich Gunnar Kilian einnehmen, bislang Geschäftsf­ührer des Betriebsra­tes.

Auch der Posten von Audi-Chef Rupert Stadler steht offenbar im Rahmen der Personalro­chade zur Dispositio­n. Allerdings hat BMW-Entwicklun­gsvorstand Klaus Fröhlich, der als möglicher Stadler-Nachfolger gehandelt wurde, sein Desinteres­se bekundet. »Nein, ich will nicht Audi-Chef werden«, sagte Fröhlich am Mittwoch der Nachrichte­nagentur dpa. Zu seinem früheren BMW-Kollegen Diess habe er kein Verhältnis – weder ein gutes noch ein schlechtes.

Missmut erregte VW-Chef Matthias Müller beispielsw­eise mit seinem Versuch, sein hohes Gehalt von über zehn Millionen Euro zu verteidige­n.

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