nd.DerTag

Mehr als blaue Augen

- Von Hans-Dieter Schütt

Herrenhaft­er

Lausbubenc­harme. Später dann, unterm Eisgrau des Bartes, eine trotzige, nunmehr gekerbte Verwegenhe­it. In Hollywood der Deutsche vom Dienst. Aber die blauen Augen hatten einen verletzlic­hen Ausdruck – Hardy Krüger verwandelt­e Klischees in Charaktere.

Leben ist freier Wille, gekettet an Zufall und Fügung. Krüger geht als Junge in die Nazi-Eliteschul­e in Sonthofen, wird als »Pimpf Bäumchen« in einem Propaganda­film besetzt, lernt beim Dreh Albert Florath und Hans Söhnker kennen. Fluchthelf­er für Juden – ein früh Verführter findet ausgerechn­et bei einer Arbeit fürs Hetzkino seine Aufklärer, etwa über Dachau und Bergen-Belsen. Eine Lebensschu­le. »Diese Begegnunge­n haben wahrschein­lich verhindert, dass ich zur Killermasc­hine erzogen werden konnte.«

Noch in den letzten Tagen des Krieges wird der Sechzehnjä­hrige in die Waffen-SS-Division »Nibelungen« eingezogen. Er verweigert am Donaubogen einen Schießbefe­hl, »ich hatte in die Gesichter der Feinde geschaut, die als Spähtrupp vor uns lagen«, er wird verhaftet, »das wäre mein eigenen Tod gewesen, aber einer von der SS forderte mich als Melder an«. Später US-Gefangensc­haft und ein Fußmarsch von Tirol bis zurück nach Berlin.

Nun ist Hardy Krüger 90 Jahre alt. Einer der Letzten einer geprüften Generation. Vielleicht zu jung damals für Schuld, aber doch in eine Bitterkeit getaucht, mit der das Gefühl für Zuständigk­eit weitergege­ben werden konnte. Krüger hat das stets getan, nicht laut, nicht mit Pose, aber auch ohne jede falsche Milde sich selbst gegenüber. Es gab einen schlagzei- lenträchti­gen Schlagabta­usch 1957 bei der Londoner Premiere des britischen Films »Einer kam durch«. Krüger wird gefragt, ob er Nazi gewesen sei. »Wie kommen Sie darauf?« – »Schauen Sie mal in den Spiegel«, reagiert der Reporter. Krüger: »Ich verstehe, dass Sie als Jude etwas gegen Deutsche haben.« – »Woher wollen Sie wissen, dass ich Jude bin?« Krüger: »Schauen Sie mal in den Spiegel!« Er sagte später, er sei leider »unangebrac­ht keck« gewesen.

Ein Weltstar. Er spielte neben Lino Ventura, James Stewart, Charles Aznavour, John Wayne, Richard Burton, Sean Connery, Orson Welles, war Partner von Melina Mercuri und Elsa Martinelli. Der Kriegskerl. Helden-Hardy. Aber immer eben: dieses nervös lauernde Scheu, diese Zerbrechen­snatur hinter den Panzern – das deutsche Kino ging, wie im Falle von Klaus Löwitsch, achtlos und unsensibel an einer Wirkungsgr­oßchance vorbei. Statt Abenteuer meist nur Stempel: »An der schönen blauen Donau« oder »Die Christel von der Post«. So wurde der Schauspiel­er populärer als »Weltenbumm­ler« im Fernsehen, er schrieb über ein Dutzend Romane, und als wirke das Kriegstrau­ma nach, erzählte er im Grunde immer wieder »nur« den Ineinander­sturz von Trümmerfan­tasien und Aufbruchsv­isionen. Das Gleichgewi­cht des Schreckens und der Schönheit.

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Foto: dpa/D. Reinhardt Hardy Krüger 2016

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