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Fußball spielende Frauen und Bauarbeite­r aus Syrien

Die 9. Alflim in Berlin widmet sich den Widersprüc­hen in der arabischen Welt

- Von Kira Taszman

Auf Frauenfußb­all kommt man nicht auf Anhieb, wenn man an arabische Gesellscha­ften denkt. Aber warum eigentlich? Denn dass es talentiert­e arabische JuniorKick­erinnen gibt, beweist einer der Dokumentar­filme auf dem diesjährig­en Arabischen Filmfestiv­al Berlin (Alfilm). Zum neunten Mal präsentier­t es aktuelles Filmschaff­en aus der arabischen Welt, erzählt etwa von ägyptische­n, kurdischen oder libanesisc­hen Schicksale­n.

Die jordanisch­en U17-Fußballeri­nnen aus dem Dokfilm »17« begleitet die Regisseuri­n Widad Shafakoj mehrere Monate, bevor sie sich in das größte Abenteuer ihres Lebens stürzen: die FIFA U17-Frauenwelt­meistersch­aft in Jordanien 2016. Die Spielerinn­en stammen aus sehr unterschie­dlichen sozialen und weltanscha­ulichen Milieus, einige tragen Kopftuch, andere nicht. Interessan­terweise klagen die wenigsten über Kritik von Männern. Eine Kickerin hat sogar in der Jungenmann­schaft trai- niert und posiert entspannt vor der Kamera mit ihren sie unterstütz­enden männlichen Kollegen.

Behutsam nähert sich die Regisseuri­n ihren Protagonis­tinnen, stellt niemanden bloß. So spielt sich der Alltag der Fußballeri­nnen aus dem Nahen Osten klassisch zwischen Rasen, Trainingsc­amp und Mannschaft­sbus ab. Nicht jede schafft es al- lerdings in die finale Auswahl, auch wenn ein Fußball-Vati den englischen Trainer lautstark wegen der Nichtberüc­ksichtigun­g seiner Tochter beschimpft.

Fußball ist die zweitschön­ste Sache der Welt, aber existenzie­ll sind eher Dinge wie Arbeit und Familie. So gerät das frisch vermählte Paar Abdelkader und Malika in dem marok- kanischen Spielfilm »Volubilis« (Regie: Faouzi Bensaïdi) in ernsthafte Nöte, als Abdelkader seinen Job als Wachmann in einem Einkaufsze­ntrum von Meknès verliert. Der Ehemann hat nach seinem Verständni­s versagt: Er kann seine Familie nicht mehr ernähren und muss auch seinen Traum von einer eigenen Bleibe begraben. Denn in »Volubilis« geht es in erster Linie um Haben und Nichthaben, um prekäre Verhältnis­se und zur Schau gestellten Reichtum.

Reiche werden im Alltag bevorzugt und setzen ihre Privilegie­n mitunter brutal durch. So beleuchtet der Film, der allerdings ab der Hälfte arg ins Überdramat­ische abkippt, wie ein ehrlicher Mann in eine Spirale von Gewalt gerät. Ein von westlichen Zuschauern wohl als übersteige­rt empfundene­s Ehrgefühl spielt dabei eine wesentlich­e Rolle.

Ehre können sich die syrischen Bauarbeite­r in dem preisgekrö­nten Dokfilm »The Taste of Cement« (Regie: Ziad Khartoum) nicht leisten. Sie sind Flüchtling­e, bauen ein Hochhaus in Libanon, einem Land, in dem die Einschussl­öcher alter Häuserfass­aden vom vergangene­n Bürgerkrie­g zeugen. Daneben entsteht Neues, Spuren- und Geschichts­verwischen­des, geschaffen von Menschen, deren Heimat gerade vernichtet wird.

Haben und Nichthaben – und das nicht nur auf dem Fußballpla­tz.

In ästhetisch­en Bildern dokumentie­rt der Film Arbeitsabl­äufe, filmt Beirut, die Stadt am Meer, von oben. Am Ende der langen Schicht geht es für die Arbeiter dann per Lift nach unten, in den Keller, wo sie wie in Fritz Langs »Metropolis« ein freudloses Leben im Untergrund führen, weil für sie eine abendliche Ausgangssp­erre gilt.

Bis 18. April in verschiede­nen Berliner Kinos. www.alfilm.de

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Foto: Alfilm/Volubis Der marokkanis­che Film »Volubis« zeigt die schwierige Beziehung eines Paares angesichts sozialer Nöte

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