nd.DerTag

Ryans Rückzug

Trump-Widersache­r tritt nicht zur Kongresswa­hl an

- Von Olaf Standke

Wenige Monate vor den wichtigen Wahlen zum US-Kongress hat eines der republikan­ischen Schwergewi­chte seinen Rückzug von der parlamenta­rischen Bühne angekündig­t. Paul Ryan, seit 2015 Mehrheitsc­hef im Repräsenta­ntenhaus und damit Speaker (Vorsitzend­er) der Kongresska­mmer, will das Kapitol Anfang nächsten Jahres verlassen. Dabei ist der wertkonser­vative Berufspoli­tiker mit Ökonomenau­sbildung erst 48 Jahre alt. Allerdings zog er auch schon vor 20 Jahren erstmals für den Bundesstaa­t Wisconsin ins Abgeordnet­enhaus ein. Seine politische Bildung, gestand er einmal, habe er der russisch-amerikanis­chen Autorin Ayn Rand zu verdanken, »den ganzen Rest einer frühen Anstellung bei McDonald's«. Dort habe er alles über Unternehme­nsführung gelernt. Zu seinen Lieblingsö­konomen zählt Friedrich von Hayek, der Gottvater des Neoliberal­ismus. Ryan gilt als einer der erfolgreic­hsten Spendensam­mler der Republikan­er; für den Herbst sollen es schon 54 Millionen Dollar sein. Sein Rückzug könnte Geldgeber abschrecke­n.

Nicht wenige in Washington gehen aber davon aus, dass das noch nicht sein Abschied vom politische­n Leben ist. Ryan begründete die Entscheidu­ng jetzt damit, dass er mehr Zeit für seine drei Kinder haben wolle. Der Rechtsanwa­ltssohn mit deutschen und irischen Vorfahren ist seit 18 Jahren mit der Juristin und Lobbyistin Janna Christine Little verheirate­t. Mit dem schwierige­n Verhältnis der protokolla­rischen Nr. 3 der USA zum Präsidente­n habe der Schritt dagegen nichts zu tun – womöglich aber, so Hauptstadt-Beobachter, mit dem in zwei Jahren anstehende­n Kampf um die Nachfolge im Weißen Haus. Manche vermuten, dass Ryan dabei auch die drohende Schmach im eigenen Wahlkreis gegen einen rechtspopu­listischen Herausford­erer aus dem Trump-Lager und eine anschließe­nde landesweit­e republikan­ische Niederlage im Hinterkopf gehabt haben könnte. 2012 hatte er als Vize des damaligen konservati­ven Präsidents­chaftskand­idaten Mitt Romney gegen Barack Obama verloren.

Der verfolgte ihn politisch auch noch in der Trump-Ära, scheiterte Ryan doch im Kongress krachend beim Versuch, das von dem Demokraten eingeführt­e und seinem Nachfolger so verhasste Gesundheit­ssystem zu kippen. Der lobte Ryan jetzt zwar (»ein guter Mann«), doch dürfte ihm Trump das sowenig verziehen haben wie die Kritik an seiner Kandidatur wie Amtsführun­g. Daran konnte auch die Verabschie­dung der »großen« Steuerrefo­rm nichts ändern. Anderersei­ts haben nicht wenige in der Partei Ryan zuletzt vorgeworfe­n, sich nicht energisch genug gegen Trump gestellt zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany