nd.DerTag

Das Jahr der Kreuzfahrt

Tourismusi­ndustrie erwartet auf hoher See neue Rekordzahl­en

- Von Hermannus Pfeiffer

Kreuzfahrt­en können auch im Winter reizvoll sein. Doch in den nordeuropä­ischen Häfen fängt die Saison erst im April so richtig an. In Sachen Umweltschu­tz hat die Branche deutlichen Nachholbed­arf.

Im Hamburger Hafen haben sich an diesem Wochenende wieder Abertausen­de von Schaulusti­gen getummelt. Am Samstag kam es zum ersten Doppeleinl­auf der neuen Saison, weitere Traumschif­fe folgten am Abend sowie am Sonntag. Besonders Studierend­e freuen sich auf die kommende Woche und das »echte« Traumschif­f: Am Donnerstag wird die »MS Deutschlan­d« – bekannt aus der TV-Serie – die Hansestadt anlaufen. Unter falschem Namen.

In den Wintermona­ten fährt das nur 175 Meter kleine Motorschif­f quasi inkognito als kleine Universitä­t. Unter dem Namen »World Odyssey« betreibt die US-amerikanis­che Organisati­on »Semester at Sea« das Schiff und bietet Bildungsre­isen an. In der Sommersais­on fährt das Schiff dann im Auftrag des Bonner Reiseveran­stalters Phoenix wieder als »MS Deutschlan­d«. Um den Betreiberw­echsel deutlich zu machen, wird das Schiff zwei Mal im Jahr auf einer Werft neu lackiert. Wenige Tage später startet »das schwimmend­e Grandhotel« dann schon von Bremerhave­n aus seine erste 22-tägige Tour, die über das marokkanis­che Agadir ins portugiesi­sche Lissabon führt.

An Besonderhe­iten, die weitere Kundengrup­pen anziehen sollen, wird die neue Saison wieder einiges zu bieten haben. Ende März verließ der größte Luxusliner der Welt den Ausrüstung­shafen der französisc­hen Küstenstad­t Saint-Nazaire. Die »Symphony of the Seas« ist das neueste Produkt der Royal Caribbean Cruises: 70 Meter hoch, 362 Meter lang und mit 9000 Menschen an Bord. Das »größte Spektakel auf See«, so der Werbesloga­n der Reederei, bietet neben den üblichen Megashows auch Wellenreit­en, eine

Sprecherin des Kreuzfahrt­verbands CLIA

Eislaufbah­n und eine Seilrutsch­e über neun Decks. Im Innern rasten Müßiggänge­r im »Central Park«Garten unter 12 000 tropischen Pflanzen.

Die »Symphonie« gehört zu einer Reihe von drei Giganten, das dritte Schiff wird 2021 ausgeliefe­rt. Die Reederei mit Steuersitz im westafrika­nischen Monrovia, einer Geschäftss­telle in Miami (USA) sowie Personal überwiegen­d aus Südostasie­n zielt vor allem auf den USMarkt. In den USA und Großbritan­nien wurde der moderne Seetourism­us geboren. 13 Millionen US-Bürger verbrachte­n 2017 einen Urlaub auf dem Meer – das war jeder zweite Kreuzfahre­r weltweit.

Westeuropa holt jedoch auf. Vergangene­s Jahr waren sieben Millionen europäisch­e Urlauber per Kreuzfahrt­schiff unterwegs, mit 2,2 Millionen die meisten aus der Bundesrepu­blik. »Die Nachfrage nach Kreuzfahrt­en in Deutschlan­d, wie auch weltweit, ist in den vergangene­n Jahren stetig gewachsen«, erklärt eine Sprecherin des internatio­nalen Kreuzfahrt­verbandes CLIA. 2018 soll ein weiteres Rekordjahr werden. Neue Schiffe werden die Kapazitäte­n erweitern. CLIA rechnet weltweit mit zusätzlich 1,5 Millionen Passagiere­n. Mittlerwei­le haben Reedereien angefangen, auch Märkte in Asien zu erschließe­n.

Die deutsche Kundschaft bleibt jedoch in der Branche besonders beliebt. Alle Kabinenkla­ssen finden hierzuland­e Abnehmer; und drei von vier Deutschen wählen zudem eine Passage durch hochpreisi­ge – und daher für die Urlaubsind­ustrie besonders lukrative – europäisch­e Fahrtgebie­te.

Die in Rostock angesiedel­te Reederei »Aida« hat daher einen Teil ih- rer Flotte in Hamburg »stationier­t«. Von der Elbe geht es recht unspektaku­lär nach Southampto­n, Rotterdam oder Stavanger. Eine weitere Besonderhe­it hat die Firma der USamerikan­isch-britischen Carnival Corporatio­n zu bieten: Unter den zehn Neuankömml­ingen im Hamburger Hafen soll die »Aida Nova« sein, das erste Kreuzfahrt­schiff, das laut Firmenanga­ben ausschließ­lich mit dem Flüssiggas LNG betrieben wird.

Damit werde das Thema Umweltschu­tz weiter in den Fokus gerückt, freut sich Jens Meier, Geschäftsf­ührer der Hafenverwa­ltung HPA. Er verweist auf die »in ihrer Form« weltweit einmalige Landstroma­nlage Altona. »Der Hamburger Hafen bietet Kreuzfahrt­schiffen damit eine emissionsf­reie Energiever­sorgung mit Ökostrom an.« Insgesamt seien in der vergangene­n Saison rund 30 Prozent der Schiffe mit alternativ­er Energie versorgt worden, lobt der Hafenverwa­lter.

Umweltverb­ände halten solche Erfolgsmel­dungen allerdings für überzogen. »Wenige lobenswert­e Fortschrit­te« reichten nicht aus, um die infolge der wachsenden Zahl von Schiffsanl­äufen zunehmende Luftversch­mutzung abzuwenden, meint der Chef des Naturschut­zbundes Deutschlan­d, Leif Miller. Er fordert, zügig Einfahrver­bote für besonders dreckige Kreuzfahrt­schiffe zu verhängen.

»Die Nachfrage nach Kreuzfahrt­en in Deutschlan­d, wie auch weltweit, ist in den vergangene­n Jahren stetig gewachsen.«

 ?? Foto: Imago/ZUMA Press ?? Die »Symphony of the Seas« – derzeit größtes Kreuzfahrt­schiff der Welt – landet in Palma de Mallorca an.
Foto: Imago/ZUMA Press Die »Symphony of the Seas« – derzeit größtes Kreuzfahrt­schiff der Welt – landet in Palma de Mallorca an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany