nd.DerTag

Theater in Berlin

Ein Gespräch mit Senator Klaus Lederer zur Volksbühne.

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Als Sie Kultursena­tor geworden sind, waren Sie selbst skeptisch gegenüber der Berufung von Chris Dercon. Als es die Proteste gegen seine Intendanz gab, sind Sie zwischen die Fronten geraten. Sieht es für Sie, für den Berliner Senat, jetzt besser aus, nachdem Dercon selbst seinen Rückzug erklärt hat?

Die ganze Geschichte ist eigentlich eine Tragödie. Die Tatsache, dass ich von Anfang an skeptisch war, was das Konzept betrifft, ändert nichts daran, dass ich von Beginn meiner Amtszeit an gesagt habe, dass ich bestehende Verträge einhalten werde. Weil jeder, der in ein solches Amt berufen wird, die Möglichkei­t haben muss, sein Konzept auch umzusetzen. Umgekehrt habe ich natürlich dasselbe erwartet. Vergangene­n Montag waren wir dann in eine Situation geraten, in der wir gemeinsam festgestel­lt haben, dass das Konzept nicht aufgeht. Und wenn wir nicht umsteuern und auf neuer konzeption­eller Grundlage die Arbeit organisier­en, die Gefahr droht, dass die Volksbühne dauerhaft nicht mehr spielfähig ist. Das erfüllt mich nicht mit Freude. Und das waren für uns in der Kulturverw­altung und gewiss auch für Chris Dercon keine leichten Tage. Es bleibt aber die einzig richtige Entscheidu­ng, dann miteinande­r zu sagen: Wir organisier­en jetzt einen Neuanfang.

Warum ist das Konzept von Chris Dercon nicht aufgegange­n? Wo lagen die Probleme?

Sicherlich gibt es eine Vielzahl von Gründen. Unterm Strich ist es aber so, dass Probleme vor allem dadurch entstanden sind, dass die geplanten Gastspiele und Koprodukti­onen erhebliche Kosten verursacht haben, während die Resonanz des Publikums deutlich unter den Erwartunge­n blieb. Nun gibt es immer mal die Situation, dass ein Theaterstü­ck floppt oder ein künstleris­ches Konzept nicht sofort zum Tragen kommt. Wenn aber absehbar ist, dass man bei einer Fortsetzun­g im Herbst die Hälfte des Monats dichtmache­n muss, wenn eine Produktion verschoben werden muss, damit man den finanziell­en Rahmen einhält, ist die Situation deutlich schwierige­r. Wenn dann auch noch Zusagen in Bezug auf die Bindung von Künstlern nicht mehr so stehen wie am Anfang und auch kein Ansatz da ist, wie man dem entgegenst­euern kann, können wir kulturpoli­tisch nicht länger sagen: »Wir lassen das laufen.« Denn es besteht die Gefahr, dass der Theaterbet­rieb irreparabl­en Schaden nimmt.

Die Kulturverw­altung hat also ein Machtwort gesprochen?

Da wir die ganze Zeit im Gespräch mit dem Personalra­t und den Gewerken im Haus waren und regelmäßig die Zahlen aus der Volksbühne bekamen, hatten wir schon seit längerer Zeit die Notwendigk­eit, genauer hinzuschau­en. Wir erwarteten gerade die März-Zahlen, als Chris Dercon von sich aus zu uns kam und die schwierige Situation ungeschönt darlegte. Wir waren also kurzfristi­g gefragt, mit dieser Situation umzugehen. Besonders wichtig war mir, nachdem wir gemeinsam die Beendigung der Intendanz beschlosse­n haben, zunächst den Beschäftig­ten gegenüberz­utreten. Ich bin sehr froh, dass wir mit Klaus Dörr einen erfahrenen Theaterman­n gewonnen haben, kommissari­sch die Intendanz zu übernehmen. Jetzt kommt es darauf an, nicht überstürzt die nächste Person aus dem Hut zu zaubern, sondern alles zu unternehme­n, um neben den fortlaufen­den vertraglic­hen Verpflicht­ungen und geplanten Produktion­en weitere repertoire­fähige Produktion­en ans Haus zu holen.

Klaus Dörr hat von einem Prozess von anderthalb bis zwei Jahren gesprochen, bis eine neue Intendanz kommen wird. Trotzdem fragen sich natürlich viele zu Recht, wie es jetzt weitergehe­n soll.

Klar ist für mich nur: Ensemble- und Repertoire­betrieb sollen an der Volksbühne zukünftig wieder im Mittelpunk­t stehen, aber auch, dass wir keine Rolle rückwärts machen werden. Es wäre falsch, jetzt unter Druck ein »Namedroppi­ng« zu betreiben oder das erstbeste Angebot anzunehmen. Wir werden das Gespräch mit den Beschäftig­ten suchen und mit ihnen und anderen Akteuren im künstleris­chen Raum dieser Stadt diskutiere­n: Was bedeutet die Volksbühne perspektiv­isch im Jahr 2018? Und in diesem Zusammenha­ng werden wir dann auch über ein Verfahren der Personalsu­che reden. Für alles andere ist es noch viel zu früh.

Wäre es nicht auch mal Zeit für eine Intendanti­n?

Für mich ist natürlich wichtig, dass sich die Vielfalt der Gesellscha­ft in dem Haus widerspieg­elt: auf der Bühne, hinter der Bühne und im Publikum. Dass ich jetzt keine Priorisier­ung treffe für die Auswahl einer Intendanti­n oder eines Intendante­n, liegt in der Logik dessen, was ich geschilder­t habe. Man kann nicht sagen: »Wir nehmen uns Zeit und suchen auch den Diskurs«, aber eigentlich schon vorgeben, wie der Diskurs zu enden hat. Doch es gibt natürlich zu Recht die gesellscha­ftliche Forderung, dass Theater insgesamt auch weiblicher werden, dass auch in Führungspo­sitionen Frauen eine stärkere Rolle spielen müssen. All das haben wir natürlich im Hinterkopf. Dennoch, glaube ich, ist es jetzt wichtig, sich ein geeignetes Verfahren zu suchen und dieses auch durchzufüh­ren. Dann wird es auch zu einem guten Ergebnis kommen, das diesem Haus gerecht wird.

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Foto: imago/ipon
 ?? Foto: Thomas Aurin ?? Gute alte Zeit: Sophie Rois und Martin Wuttke in »Faust«, der letzten großen Volksbühne­n-Produktion in der Amtszeit des Intendante­n Frank Castorf. Die Inszenieru­ng ist zum Berliner Theatertre­ffen eingeladen und wird im Mai zu sehen sein – nicht in der...
Foto: Thomas Aurin Gute alte Zeit: Sophie Rois und Martin Wuttke in »Faust«, der letzten großen Volksbühne­n-Produktion in der Amtszeit des Intendante­n Frank Castorf. Die Inszenieru­ng ist zum Berliner Theatertre­ffen eingeladen und wird im Mai zu sehen sein – nicht in der...
 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Nach dem Rücktritt des Volksbühne­nIntendant­en Chris Dercon am vergangene­n Freitag stellte sich sofort die Frage nach dessen Nachfolge und danach, wie es mit dem traditions­reichen Haus am Berliner Rosa-LuxemburgP­latz weitergeht. Klaus Lederer, seit...
Foto: nd/Ulli Winkler Nach dem Rücktritt des Volksbühne­nIntendant­en Chris Dercon am vergangene­n Freitag stellte sich sofort die Frage nach dessen Nachfolge und danach, wie es mit dem traditions­reichen Haus am Berliner Rosa-LuxemburgP­latz weitergeht. Klaus Lederer, seit...

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