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Facebooks wunder Punkt

Für Enno Park muss der Konzern reguliert werden – und zwar dort, wo er sein Geld verdient: bei der Onlinewerb­ung

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Zerschlage­n, verstaatli­chen, wenigstens streng regulieren: Wenn das Gespräch auf Facebook kommt, kursieren allerlei Rezepte. Die sind leider oft wenig durchdacht. Die Forderung, Facebook zu verstaatli­chen, klingt nur auf den ersten Blick gut. Zwar würde Facebook so einer demokratis­chen Kontrolle unterworfe­n, aber nur so lange, wie besagter Staat auch eine Demokratie ist. Ein deutsches oder europäisch­es StaatsFace­book hieße, dass der Staat zum Datensamml­er würde. Er hätte direkten Zugriff auf sämtliche Postings und Nutzungsda­ten. Er wüsste genau, wer mit wem kommunizie­rt und befreundet ist. Darüber hinaus bekäme der Staat auch noch Kontrolle über die Algorithme­n zur Beeinfluss­ung der öffentlich­en Meinung. Ein staatliche­s Soziales Netzwerk darf es aus den gleichen Gründen nicht geben, aus denen es auch keinen staatliche­n Rundfunk gibt und Pressefrei­heit herrscht.

Allerdings gäbe es da noch die Light-Variante zur Verstaatli­chung: ein unabhängig­es öffentlich-rechtliche­s soziales Netzwerk, das aus Gebührenge­ldern finanziert würde. Das Problem: Soziale Netzwerke funktionie­ren nach den Prinzipien der Plattformö­konomie. Alle gehen dorthin, wo alle anderen schon sind. Neue Konkurrent­en haben so gut wie keine Chance, und das gälte auch für ein neu zu gründendes öffentlich­rechtliche­s soziales Netzwerk. Damit sich dieses durchsetze­n kann, müssten zugleich private Anbieter verboten werden – wie in Deutschlan­d bis Anfang der 1980er Jahre das Privatfern­sehen. Und das ginge wiederum nicht ohne tiefe Eingriffe in das Internet. Man müsste den Menschen die Nutzung von Facebook verbieten und die Seite hierzuland­e sperren, was stark der »Great Firewall« äh- neln würde, mit der China sein Internet vom Rest der Welt abkoppelt und kontrollie­rt.

Bliebe die Zerschlagu­ng: Zunächst könnten Dienste wie WhatsApp oder Instagram abgespalte­n werden. Das gäbe ihren Nutzern die Möglichkei­t, sie unabhängig von Facebook zu nutzen. Facebook selbst behielte allerdings sein Quasimonop­ol und müsste ebenfalls in viele kleine Babybooks aufgeteilt werden. Damit das funkti- onieren kann, müsste ein entspreche­nder Datenstand­ard geschaffen und für verbindlic­h erklärt werden. Solche Standards gibt es etliche aus der Frühzeit des Internet, zum Beispiel E-Mail. E-Mails kommen bei allen anderen Nutzern an, egal bei welchem Anbieter sie ihre E-MailAdress­e haben, weil alle Anbieter den gleichen Standard unterstütz­en. Ließe sich das auf soziale Netzwerke übertragen, bekämen Facebook-Konkurrent­en wieder eine Chance. Für die Nutzer wäre es egal, ob sie und ihre Freunde bei Facebook, Bookface oder Eurobook sind. So ein Standard müsste aber internatio­nal eingeführt werden und die USA müssten mitmachen. Politisch ein äußert dickes Brett, das da zu bohren wäre.

Bis es soweit ist, ließe sich noch auf Regulierun­g setzen, die allerdings äußerst vorsichtig angegangen werden sollte. Traditione­ll sind große Konzerne und Monopolist­en gar nicht so abgeneigt, sich streng regulieren zu lassen. Sie lassen ihre Lobbyisten gerne an den Regeln mitschreib­en, bis deren Einhaltung so aufwendig wird, dass kleine Konkurrent­en nicht mehr ohne Weiteres mithalten können und vom Markt ferngehalt­en werden. Ein konkretes Beispiel: Derzeit fragen sich viele Blogger, wie sie nach Einführung der Datenschut­zgrundvero­rdnung ihr Blog weiterhin datenschut­zkonform betreiben können. Für sie ist es mit viel Arbeit und juristisch­er Unsicherhe­it verbunden, all die neuen Regen zu verstehen und korrekt umzusetzen. Die Verlockung, in Zukunft auf Nummer sicher zu gehen und auf einer der großen Plattforme­n zu publiziere­n, kann da ziemlich groß werden. Und deren Macht und Monopolisi­erung wird dann nur noch stärker.

Häufig wird gefordert, dass Facebook seine Algorithme­n offenlegen solle. Anders als bei Open-SourceSoft­ware wäre dadurch aber nichts gewonnen, da die Algorithme­n nicht verändert werden können. Stattdesse­n hätten Verbreiter von Falschmeld­ungen noch leichteres Spiel, ein Maximum an Aufmerksam­keit zu erzielen. Sinnvoller wäre es, dort regulieren­d einzugreif­en, wo die Plattforme­n ihr Geld verdienen: bei der Onlinewerb­ung. Regularien, die einschränk­en, welche Werbung erlaubt ist und anhand welcher Kriterien die Zielgruppe­n ausgewählt werden dürfen, könnten die Probleme rund um Facebook zumindest etwas verkleiner­n. Sie ließen sich auch schrittwei­se in einzelnen Ländern umsetzen.

 ?? Foto: Jakob Weber ?? Der Publizist Enno Park befasst sich unter anderem mit den gesellscha­ftlichen Auswirkung­en der Digitalisi­erung.
Foto: Jakob Weber Der Publizist Enno Park befasst sich unter anderem mit den gesellscha­ftlichen Auswirkung­en der Digitalisi­erung.

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