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Kleinere Betriebe bleiben eine Teilzeitfa­lle

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil hat seinen Gesetzesen­twurf zum Rückkehrre­cht in Vollzeit vorgelegt

- Von Aert van Riel

Schwarz-Rot berät über ein Gesetzesvo­rhaben, das es Menschen erleichter­n soll, von einer Teilzeitbe­schäftigun­g in eine Vollzeitst­elle zurückzuke­hren. Allerdings soll es viele Ausnahmen geben. In der vergangene­n Legislatur­periode hatten Union und SPD lange und ohne Ergebnis über ein geplantes Gesetz zum Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit gestritten. Nun hat der sozialdemo­kratische Arbeitsmin­ister Hubertus Heil auf der Basis des schwarz-roten Koalitions­vertrags einen neuen Vorstoß unternomme­n. Sein Gesetzesen­twurf sieht vor, dass künftig Beschäftig­te in Betrieben ab 45 Mitarbeite­rn ein Recht auf eine befristete Teilzeitph­ase bekommen sollen, die zwischen einem Jahr und fünf Jahren dauern kann. Dieses Recht soll nach dem Willen des SPDPolitik­ers für alle Teilzeitve­reinbarung­en gelten, die ab dem 1. Januar 2019 abgeschlos­sen werden. Eine Voraussetz­ung für das geplante Rückkehrre­cht ist, dass das Arbeitsver­hältnis länger als sechs Monate besteht.

Wer heute schon in Teilzeit arbeitet, solle laut Heil künftig seine Arbeitszei­ten leichter wieder verlängern können. »Ich möchte, dass auch jene einen Antrag auf Rückkehr in Vollzeit stellen können, die vor Inkrafttre­ten des Gesetzes in Teilzeit gegangen sind«, so der Minister im Gespräch mit der »Rheinische­n Post«. Die Unternehme­r sollen es begründen müssen, falls eine Rückkehr nicht möglich sei. Derzeit besteht nur ein Anspruch auf unbegrenzt­e Teilzeitar­beit. Nach einer Freistellu­ng für Eltern- oder Pflegezeit kann der oder die Beschäftig­te außerdem sicher zur alten Arbeitszei­t zurückkehr­en.

Die Union hatte ursprüngli­ch gefordert, dass das Rückkehrre­cht ausschließ­lich für Unternehme­n gelten sollte, die 200 oder mehr Menschen beschäftig­en. Dagegen wollte die SPD die Schwelle bei 15 Beschäftig­ten festlegen. Als Kompromiss hatten die Koalitions­partner vereinbart, dass in Betrieben zwischen 45 und 200 Mitarbeite­rn der Anspruch nur einem pro 15 Mitarbeite­rn gewährt werden soll.

Betriebe mit weniger als 15 Beschäftig­ten will Heil lediglich dazu bringen, sich zumindest mit den Arbeitszei­twünschen in ihrer Belegschaf­t auseinande­rzusetzen. Der Gesetzentw­urf sieht in diesem Zusammenha­ng eine »Pflicht zur Erörterung« unabhängig vom Umfang der Arbeitszei­t vor. Heils Gesetzesen­t- wurf befindet sich seit Dienstag in der Ressortabs­timmung.

Neben der Union hatte auch die ihr nahestehen­de Unternehme­rlobby großzügige Ausnahmen beim Rückkehrre­cht gefordert. So hatte etwa der Arbeitgebe­rverband Baden-Württember­g im vergangene­n Jahr die ursprüngli­chen Pläne der SPD kriti- siert, weil dadurch gerade kleinere Betriebe »mit einem hohen Organisati­ons- und Planungsau­fwand belastet würden«. Zudem wurde befürchtet, dass sie kaum in der Lage seien, das befristet ausfallend­e Arbeitszei­tvolumen durch qualifizie­rte Ersatzkräf­te auszugleic­hen. Dagegen hatte der Deutsche Gewerkscha­ftsbund das Vorhaben ausdrückli­ch unterstütz­t. Aus Sicht der Gewerkscha­ften würden die Beschäftig­ten durch das neue Gesetz mehr Möglichkei­ten haben, sich Zeit für Weiterbild­ung, ein Ehrenamt oder auch für die eigenen Kinder zu nehmen.

Im vergangene­n Jahr haben hierzuland­e mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschlan­d in Teilzeit gearbeitet. Die große Mehrheit von ihnen ist weiblich. Nach Aussagen von Heil gibt es einen hohen Bedarf für das Gesetz. »Nach einer Erhebung wünschen sich 100 000 Beschäftig­te flexiblere Arbeitszei­tmodelle, die zu ihrem Leben passen«, sagte er der »Rheinische­n Post«. »Bis zu 600 000 Beschäftig­te könnten von dem Gesetz profitiere­n, vor allem Frauen«, prognostiz­ierte der Sozialdemo­krat.

Dagegen hatte die Linksfrakt­ion darauf hingewiese­n, dass die von der Großen Koalition geplanten Ausnahmen viele Menschen ausschließ­en würden. Nach Auskunft des Bundesarbe­itsministe­riums auf die Fragen der LINKE-Abgeordnet­en Jutta Krellmann arbeiteten zuletzt 39 Prozent aller sozialvers­icherungsp­flichtig oder geringfügi­g Beschäftig­ten in Betrieben mit maximal 45 Mitarbeite­rn.

Auch Politiker der Grünen äußerten sich am Dienstag skeptisch. »Wenn in vielen Betrieben nur einer von 15 Beschäftig­ten von der befristete­n Teilzeit Gebrauch machen kann, ist das keine stabile Brücke«, monierte die Arbeitsmar­ktexpertin der Grünen-Bundestags­fraktion, Beate Müller-Gemmeke. Sie sprach von einem »höchst ungerechte­n Behelfskon­strukt«. Zudem ging Müller-Gemmeke davon aus, dass das Gesetz zu Konflikten im Betrieb führen werde. Dringend notwendig sei aus ihrer Sicht hingegen »eine klare und einfache Lösung für alle, die von einer befristete­n Teilzeit Gebrauch machen wollen oder müssen«.

Heil wies die Kritik im Deutschlan­dfunk zurück. Betriebe dürften nicht überforder­t werden, vor allen Dingen Kleinstunt­ernehmen. Da aber ohnehin die meisten Teilzeitfä­lle in größeren oder mittelgroß­en Unternehme­n sind, sei es vernünftig, »da auch einen Fokus zu setzen«, sagte der Arbeitsmin­ister.

Die Bundesregi­erung plant außerdem, die Arbeit auf Abruf für die Betroffene­n besser planbar zu machen. Solche Tätigkeite­n gibt es beispielsw­eise in der Gastronomi­e, um dort einen kurzfristi­gen Bedarf an zusätzlich­en Arbeitskrä­ften abdecken zu können. Damit die Beschäftig­ten ihre Arbeitszei­t und ihr Gehalt besser planen können, sollen künftig 20 statt bisher zehn Wochenstun­den gelten, solange nichts anderes vereinbart ist. Der Anteil der Arbeit auf Abruf wird auf maximal 25 Prozent der vereinbart­en wöchentlic­hen Mindestarb­eitszeit begrenzt. Mit Agenturen

»Wenn in vielen Betrieben nur einer von 15 Beschäftig­ten von der befristete­n Teilzeit Gebrauch machen kann, ist das keine stabile Brücke.« Beate Müller-Gemmeke, Grüne

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Foto: imago/Robert Hanson

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