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NATO-Lastesel bockt

Russland will aus SALIS-Vertrag zum Lufttransp­ort schwerer Lasten aussteigen

- Von René Heilig

Die russische Logistikfi­rma VolgaDnepr will ihre An-124-Flugzeuge aus Leipzig abziehen und keine militärisc­he Ausrüstung mehr transporti­eren – jedenfalls nicht für die NATO und die EU. Schon bald könnte es – vorübergeh­end – etwas leiser zugehen auf dem Flugplatz Leipzig-Halle, denn die dort stationier­ten An-124-Großraumtr­ansportmas­chienen der russischen Fluggesell­schaft Volga-Dnepr sollen nicht mehr im Rahmen der sogenannte­n Strategic Airlift Internatio­nal Solution (SALIS) abheben. Der entspreche­nde Vertrag zum Transport schwerer Güter besteht im Grundsatz seit 2004. Die meisten NATO- und EU-Staaten haben ihn geschlosse­n, weil ihnen unter anderem durch die verzögerte und nicht qualitätsg­erechte Auslieferu­ng des Airbus-Militärtra­nsporters A400M dringend benötigte Kapazitäte­n fehlen.

Wie das Internet-Fachportal »Cargo Forwarder Global« berichtet, hat Volga-Dnepr die SALIS-Lenkungsgr­uppe am 12. April über die geplante Einstellun­g der Lufttransp­orte unterricht­et. Die Airline habe den Vertrag mit der Ruslan-Salis GmbH gekündigt und sei in anschließe­nden Verhandlun­gen nicht zu einer Änderung ihrer Position bereit gewesen. Für die Entscheidu­ng werden verschiede­ne Gründe angeführt. Die russische Gesellscha­ft wolle sich aus dem Militärtra­nsport für westliche Staaten generell zurückzieh­en und sich auf die Beförderun­g ziviler Güter konzentrie­ren. Der Hauptgrund ist jedoch die veränderte geopolitis­che Lage samt der zahlreiche­n Sanktionen, die von westlichen Staaten gegen Russland verhängt wurden. Volga-Dnepr ist davon auch direkt betroffen. So entzog ihr das US-Militär bereits 2015 einen großen Transporta­uftrag. Weitere Einschränk­ungen folgten durch den 2017 von den USA beschlosse­nen »Countering America’s Adversarie­s Through Sanctions Act«.

Der Ausstieg der russischen Gesellscha­ft trifft insbesonde­re die Bundeswehr hart. Sie nutzt die An-124 zum Transport von Hubschraub­ern, Panzerhaub­itzen, Schützenpa­nzern, Drohnen und anderen Ausrüstung­en in auswärtige Einsatzgeb­iete. Vor allem die deutschen Truppen in Af- ghanistan und Mali, die einen hohen Materialbe­darf haben, sind betroffen. Kein Anbieter weltweit und auch nicht die US Air Force verfügen über Frachtflug­zeuge, die den An-124Maschin­en das Wasser reichen könnten. Die noch aus Sowjetzeit­en stammenden Maschinen transporti­eren mehr Güter als andere und sind unter anderem ob ihres bordeigene­n hydraulisc­hen Ladegeschi­rrs fähig, Flugplätze ohne moderne technische Ausstattun­gen anzufliege­n.

Nach dem Abzug von Volga-Dnepr aus Leipzig werden sich die Transportp­robleme der NATO wie der EU weiter verschärfe­n. Von aktuell 2300 gebuchten Flugstunde­n jährlich bleiben nur 900 Stunden übrig. Die werden weiter von der ukrainisch­en Antonov-Airlines garantiert, die im Rah- men des SALIS-Abkommens ebenfalls einen Teil ihrer An-124-Frachterfl­otte in Leipzig stationier­t hat.

Fachleute glauben aber, dass der Rückzug der russischen Logistikfi­rma eine taktische Übung ist. Denn bislang hat sich Volga-Dnepr-Chef Alexej Isaikin sehr um den Ausbau der finanziell lukrativen Beziehunge­n bemüht. Nun jedoch plane er die Gründung einer eigenen Frachtflug­gesellscha­ft mit allen notwendige­n deutschen Zulassunge­n. Sobald das Braunschwe­iger Luftfahrtb­undesamt dazu die Genehmigun­g erteilt, könnten die An-124 von Volga-Dnepr nach Leipzig zurückkehr­en. Diese neue, deutsche Gesellscha­ft wäre auch nicht wie die bislang russische Airline betroffen vom Ersatzteil­boykott des ukrainisch­en Hersteller­s Antonov.

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