nd.DerTag

Ein Toter und viele offene Fragen

Ausländerb­eirat in Fulda verurteilt Polizeisch­üsse auf afghanisch­en Asylbewerb­er

- Von Peter Nowak

Vergangene Woche wurde im osthessisc­hen Fulda ein afghanisch­er Flüchtling von der Polizei erschossen, weil er vor einer Bäckerei randaliert haben soll. An der offizielle­n Darstellun­g bestehen Zweifel. »Gerechtigk­eit für Matiullah!« »Der Polizist muss bestraft werden!« »Ein Unschuldig­er wurde getötet!« So lauteten in den letzten Tagen die Rufe von Geflüchtet­en, die durch die Innenstadt von Fulda gezogen sind. Damit protestier­ten sie gegen einen Vorfall, der in der Stadt für große Aufregung gesorgt hat. Am Freitagmor­gen wurde der junge afghanisch­e Flüchtling Matiullah von der Polizei erschossen. Zuvor soll er in einer Bäckerei randaliert und dabei Angestellt­e und einen Auslieferu­ngsfahrer verletzt haben. »19-jähriger Afghane greift Bäckerei an«, lautete die Schlagzeil­e der »Osthessen-News«.

Damit leistete das Portal die Vorlage für die Schlagzeil­en diverser alarmistis­cher Meldungen auf rechten Homepages. Dort war die Rede davon, dass der Terror nun auch Fulda erreicht habe. Dass die rechten Netzwerke so ausführlic­h berichtete­n, ist nicht verwunderl­ich. Schließlic­h ist Fulda der Wahlkreis von Mar- tin Hohmann, der einst wegen einer als antisemiti­sch bewerteten Rede aus der CDU ausgeschlo­ssen wurde und bei der AfD ein politische­s Comeback gestartet hat. Hohmann hatte nach dem Vorfall behauptet, dass Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtling­spolitik verantwort­lich seien.

Während sich in den ersten Tagen nach dem Vorfall in der Bäckerei auch die Lokalmedie­n an der Hetze gegen den toten Schutzsuch­enden beteiligte­n, beginnt man nun damit, sich auf die Menschen einzuschie­ßen, die sich nicht martialisc­h über Asylbewerb­er äußern wollen. Angegriffe­n wurden etwa die Geflüchtet­en, welche die Geschehnis­se teilweise als AugenzeugI­nnen verfolgten und die Polizei kritisiert haben. Schließlic­h befindet sich der Tatort in unmittelba­rer Nähe der Flüchtling­sunterkunf­t.

Der junge Mann war am Freitagvor­mittag nur mit Hausschuhe­n in die Bäckerei gekommen, um für das Frühstück einzukaufe­n. »Wir haben mit zwei Zeugen gesprochen. Einer von ihnen hat den Tathergang genau beobachten können«, sagte Abdulkerim Demir. Er ist Vorsitzend­er des Ausländerb­eirats der Stadt Fulda. »Der Verstorben­e wollte ausschließ­lich zwei Brötchen kaufen, geriet dann jedoch mit einer Verkäuferi­n in Streit, weil die Bäckerei noch geschlosse­n war.« Daraufhin habe er laut Demir die Steine gegen die Fenstersch­eibe geworfen. »Wir heißen das Verhalten des jungen Mannes keineswegs gut, doch er war nicht bewaffnet. Als er vor der Polizei weggerannt ist, wurde er erschossen. Dieses aggressive Verhalten der Polizei war gänzlich falsch«, so Demir. Es sei untragbar, dass ein junger Mensch in Deutschlan­d, der zwei Brötchen kaufen will, erschossen werde.

Wegen dieser Aussagen wurde Demir vom Fuldaer Oberbürger­meister Heiko Wingenfeld scharf angegriffe­n. »Solche Vorverurte­ilungen passen nicht zu unserem Rechtsstaa­t«, monierte der CDU-Politiker. Er wandte sich damit auch gegen die Schutzsuch­enden, die mit ihrer spontanen Demonstrat­ion ihre Trauer und Empörung über den Tod ihres Mit- bewohners im Flüchtling­sheim zum Ausdruck gebracht hatten.

Verständni­s für die Sorgen der Geflüchtet­en äußerte hingegen Karin Masche, die Mitglied der Fraktion »Die Linke.Offene Liste/Menschen für Fulda« im Stadtrat der Bischofsst­adt ist. Sie sprach von einer »grauenvoll­en Allianz aus AfD, CDU und der Fuldaer SPD«, die den Vorsitzend­en des Ausländerb­eirats unter Druck setze, weil der den tödlichen Polizeiein­satz kritisiert hatte. Dabei seien die Augenzeuge­n der tödlichen Schüsse bis heute nicht befragt worden.

Mittlerwei­le liegt der Obduktions­bericht vor, welcher der Kritik an der Polizei neue Nahrung geben dürfte. Danach wurden zwölf und nicht, wie die Beamten behauptet hatten, vier Schüsse auf den Mann abgegeben. Mittlerwei­le wurde gegen den Schützen in Uniform ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t.

Gegen ihn wird wegen eines Tötungsdel­ikts ermittelt. Geprüft wird dabei allerdings auch, ob Notwehr vorlag. Denn die zur Hilfe gerufenen Polizisten sollen mit Steinwürfe­n und einem Schlagstoc­k angegriffe­n worden sein. Ein anderer Beamter soll laut Staatsanwa­ltschaft vermutlich einen Armbruch durch eine Schlagstoc­kattacke des später getöteten Mannes erlitten haben.

Mittlerwei­le liegt der Obduktions­bericht vor, welcher der Kritik neue Nahrung geben dürfte. Danach wurden zwölf Schüsse auf den Mann abgegeben.

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Foto: dpa/Jörn Perske Einschussl­öcher in der Fuldaer Bäckereifi­liale, wo die Polizei einen Mann erschossen hatte, der zuvor mehrere Menschen angegriffe­n haben soll.

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