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Mugabe attackiert Nachfolger

Geschasste­r Langzeitdi­ktator sorgt vor 38. Jahrestag der Unabhängig­keit für Missklänge

- Von Simon Miller, Harare

Wenn Simbabwe am Mittwoch zum 38. Mal seinen Unabhängig­keitstag feiert, werden die Festlichke­iten erstmals nicht unter der Regie von Robert Mugabe über die Bühne gehen. Der Ehrenplatz auf der Tribüne im Nationalen Sportstadi­on von Harare ist dem Staatschef vorbehalte­n. Von 1987 bis 2017 war dies Robert Mugabe, der nach der Unabhängig­keit 1980 zuerst als Premier die Fäden in der Hand hielt und dies dann als Präsident weiter tat.

2018 wird an Mugabes Stelle sein ehemaliger Stellvertr­eter Emmerson Mnangagwa sitzen. Er wird die Botschaft an die Nation verlesen und darin die Hoffnung der Bevölkerun­g auf einen spürbaren Wandel der Lebensbedi­ngungen nähren. 38 Jahre nach dem Erringen der Unabhängig­keit lebt der Großteil der 16,5 Millionen Simbabwer in äußerst bescheiden­en Verhältnis­sen, viele an oder unter der Armutsgren­ze von einem Dollar pro Tag.

Geschätzte drei Millionen Landsleute arbeiten im Ausland, vor allem in Südafrika. Mit ihrem Einkommen helfen sie ihren Familien zu Hause über die Runden. Zehntausen­de Straßenhän­dler in Harare, Bulawayo, Plumetree und Beitbridge ringen täglich um ein paar Bonds. Diese einheimisc­he, nicht konvertier­bare Währung in Form von Schuldsche­inen ist dem US-Dollar wertmäßig gleichgest­ellt. Tatsächlic­h deckt die schwache einheimisc­he Wirtschaft eine solche Parität aber nicht.

Zu Mugabes Erbe gehören lange Schlangen vor den Banken, die nicht über genügend Bargeld verfügen, marode Betriebe und ein Heer von Arbeitslos­en. Die Infrastruk­tur – Straße und Schiene – bedarf weitgehend dringender Erneuerung. Immerhin sind die Fernverkeh­rsstraßen zwischen den großen Städten gut befahrbar.

Der einstige Held des Freiheitsk­ampfes, der als selbstherr­liches Staatsober­haupt bald den Kontakt zum gemeinen Volk verlor, kann es auch ein halbes Jahr nach dem vom Militär erzwungene­n Rücktritt nicht verwinden, politisch aufs Abstellgle­is geschoben worden zu sein. Er stichelt gegen seinen früheren Gefährten Mnangagwa, dieser sei auf il- legale Weise sein Nachfolger geworden. Unter dem könne es keine freien und fairen Parlaments­wahlen geben. Er und seine Ehefrau Grace, die sich bereits vehement als Nachfolger­in positionie­rt hatte, würden vom jetzigen Regime verfolgt und belästigt. Aber der vergrämte Greis belässt es nicht bei Verbalatta­cken.

Laut Medienberi­chten unterstütz­t er eine neue Partei, die sich anfangs Neue Patriotisc­he Front nannte, sich bei der Wahlkommis­sion jedoch als Nationale Patriotisc­he Front registrier­en (NPF) ließ. Diese aus Abtrünnige­n der regierende­n ZANU-PF gebildete Partei wird von Ex-Brigadegen­eral Ambrose Mutinhiri geleitet, einem Vertrauten Mugabes. Wenn der Ex-Präsident auch kaum mit einer Rückkehr an die Macht rechnen kann, so vermag er über die NPF doch beträchtli­chen Einfluss auf die politische Landschaft auszuüben. Der al- te Haudegen kann es nicht lassen und will wenigstens mitreden. Zudem ist noch nicht klar, wie viele der 107 bei der Wahlkommis­sion eingeschri­ebenen politische­n Parteien sich als Partner der NPF andienen werden. Jedenfalls ist der 75-jährige Mnangagwa nicht begeistert von dem namensverw­andten Konkurrent­en seiner ZANU-PF.

Allerdings scheint die größere Herausford­erung von der Opposition­sallianz zu kommen, die von der Bewegung für Demokratis­chen Wandel (MDC-T) geführt wird. Nach dem Tod von Morgan Tsvangirai Mitte Februar, ihrem charismati­schen Chef, hat sich erstaunlic­h schnell der nur 40 Jahre alte Nelson Chamisa als Präsidents­chaftskand­idat der Opposition profiliert und gegen alle Mitbewerbe­r aus den eigenen Reihen durchgeset­zt. Der agile und redegewand­te Politiker befindet sich, obwohl der of- fizielle Wahltermin noch nicht verkündet wurde, bereits auf Werbetour durchs Land und spricht vor einem beachtlich großen Publikum. Das und der starke Andrang vor allem junger Menschen bei der Wählerregi­strierung macht einerseits der Opposition Mut und lässt anderersei­ts die Medien- und Propaganda­macher der ZANU-PF nervös reagieren.

Das belegen zahlreiche öffentlich­e beleidigen­de Äußerungen über Chamisa. Der präsentier­t sich jedoch unbeeindru­ckt als Alternativ­e und unterstrei­cht immer wieder, dass Mnangagwa aus den Jahrzehnte­n als Mugabes Vize zu viel schmutzige­n Ballast mit sich herumschle­ppt und dass er seinen einstigen Boss mit Samthandsc­huhen behandelt, damit dieser nicht aus dem Nähkästche­n zu plaudern beginnt. Bisher findet diese Strategie in Simbabwes Bevölkerun­g Anklang.

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Foto: imago/Belal Khaled Freude über die Machtübern­ahme durch Emmerson Mnangagwa

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