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Weißer Ring ringt um sein Image

Schleswig-Holstein: Etliche Anzeigen gegen Opferberat­er

- Von Dieter Hanisch, Lübeck

Die Organisati­on Weißer Ring ist derzeit bundesweit darum bemüht, ihr in Schieflage geratenes Image wieder aufzupolie­ren. Im März waren Vorwürfe gegen den bis Ende 2017 aktiven Lübecker Kriminalit­ätsopferbe­rater Detlef H. bekannt geworden. Der Außenstell­enleiter soll gegenüber mehreren Frauen, die zuvor Opfer einer Straftat geworden waren, sexuelle Anzüglichk­eiten gemacht haben. Am Mittwoch wird das Thema nun bereits zum zweiten Mal den Innen- und Rechtsauss­chuss des schleswig-holsteinis­chen Landtags beschäftig­en.

Gleich nach den ersten öffentlich gewordenen Anschuldig­ungen gegen den pensionier­ten Polizeihau­ptkommissa­r H. trat der schleswig-holsteinis­che Landesvors­tand des Weißen Rings mit Uwe Döring an der Spitze zurück. Man wollte damit erklärterm­aßen die Verantwort­ung für die erhobenen Vorwürfe übernehmen, ohne aber zugleich ein Schuldeing­eständnis abzugeben.

Ex-BKA-Chef Ziercke muss ran Nach großer Aufregung über die Vorkommnis­se in Lübeck, über die mehrfach auch das Nachrichte­nmagazin »Der Spiegel« berichtete, wollte der Bundesvors­tand die aufgebrach­ten Gemüter wieder beruhigen. Er setzte seinen Vizevorsit­zenden Jörg Ziercke kommissari­sch als Verantwort­lichen ein, um der Opferberat­ung in Schleswig-Holstein wieder ein seriöses Gesicht zu geben. Ziercke, einst Chef des Bundeskrim­inalamtes, ist beauftragt, eine Findungsko­mmission einzuricht­en, die in den nächsten Monaten Kandidaten für einen neuen Landesvors­tand ausguckt. Die Bewerber dafür dürften nicht gerade Schlange stehen. Der Bundesvors­tand des Weißen Rings hat sich inzwischen von seinem ehemaligen Mitarbeite­r distanzier­t und gehört zu denjenigen, die H. angezeigt haben.

Insgesamt liegen gegen H. fast zwei Dutzend Anzeigen wegen sexueller Belästigun­g vor. Der 73Jährige streitet alle Vorwürfe hartnäckig ab und spricht von einer Verleumdun­gskampagne. Die Staatsanwa­ltschaft führt unterdesse­n mehrere Ermittlung­sverfahren. Im Raum steht die Frage, ob die H. vorgehalte­nen Taten nicht schon viel früher zu strafrecht­lichen Schritten hätten führen müssen. Inzwischen wurde bekannt, dass die Polizeiabt­eilung des Kieler Innenminis­teriums bereits im Juli 2017 per Mail über den Vorfall informiert wurde. Geschehen ist daraufhin aber offenbar nichts. Das birgt nun Erklärungs­bedarf für den Innenaussc­huss des Landtages.

Warum schwieg die Polizei?

Da es erste Hinweise auf entspreche­nde Handlungen von H. bereits seit 2006 gegeben hat und später auch der Frauennotr­uf Lübeck entspreche­nd informiert wurde, stellt sich die Frage, warum Döring und sein Landesvors­tand den Berater H. nicht von seinen Aufgaben entbunden haben. Zumal es vom Lübecker Polizeiche­f eine mehr als deutliche Aufforderu­ng in dieser Hinsicht gab, da auch eine Polizeimit­arbeiterin durch H. belästigt worden sein soll. Die Frage ist demnach auch, warum die Polizei nicht von sich aus tätig geworden ist. Neuerdings laufen nun Vorermittl­ungen gegen einen Lübecker Polizeibea­mten, der 2016 eine Frau sogar davon abgehalten haben soll, Anzeige gegen H. wegen sexueller Übergriffe zu erstatten.

Der Bundesvors­tand des Weißen Rings kündigte an, dass künftig weibliche Opfer von Sexualdeli­kten das Erstgesprä­ch nur noch mit Frauen führen sollen. Der Opferhilfe­verein will zudem die Anwaltskos­ten für die mutmaßlich­en Lübecker Opfer übernehmen.

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