nd.DerTag

Matter Nachschlag

- Von Tom Mustroph

Erstaunlic­h handzahm präsentier­te sich der Kulturauss­chuss im Berliner Abgeordnet­enhaus am späten Montagnach­mittag in der ersten Sitzung nach der Abdankung des Volksbühne­n-Intendante­n Chris Dercon. Keine konkreten Angaben zur finanziell­en Schieflage, die doch der Auslöser der spektakulä­ren Trennung war, wurden eingeforde­rt. Keine Nachfrage erfolgte zu den zwei Millionen Euro Rückstellu­ngen, über die die Volksbühne offenbar verfügt und die erst jetzt dem kommissari­schen Intendante­n Klaus Dörr freigegebe­n werden. Bei dem immerhin angeschnit­tenen Thema einer Abfindung für Dercon vermied Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) mit Verweis auf die laufenden Verhandlun­gen eine klare Ansage über deren Höhe.

Wird es an der Volksbühne jetzt so etwas wie ein zwölfmonat­iges Theatertre­ffen geben?

Man weiß also nicht, wie groß der finanziell­e Abdruck des Theaterneu­lings neben den 2,98 Millionen Euro Vorbereitu­ngskosten und den 19,508 Millionen Euro Zuschuss für die laufende Spielzeit noch sein wird. Nicht einmal über die zwei Eigenprodu­ktionen, die die Volksbühne offenbar bis in die nächste Spielzeit verschiebe­n muss, was angeblich das strukturel­le Defizit der Bühne so krass verstärkte, dass nur die Trennung übrig blieb, war Auskunft zu erhalten. Das alles verblüffte.

Lederer stellte immerhin klar, dass die Volksbühne keineswegs insolvent sei. Interims-Intendant Klaus Dörr soll nun den Spielbetri­eb sicherstel­len. Es deutet sich an, dass er zwei, vielleicht sogar drei Spielzeite­n agieren kann, bis ein Nachfolger gefunden ist. Bis dahin herrscht so etwas wie freie Improvisat­ion im Lückenfüll­en. »Wir werden mit den Intendante­n der anderen Berliner Theater beraten, welche Inszenieru­ngen möglicherw­eise an der Volksbühne gezeigt werden können«, lautete eine Idee von Lederer. Er gab Dörr auch freie Hand, auf dem internatio­nalen Markt nach geeigneten Produktion­en zu suchen.

Am Rande der Sitzung wurde von Abgeordnet­en auch spekuliert, dass es jetzt so etwas wie ein zwölfmonat­iges Theatertre­ffen an der Volksbühne geben könnte. Auch die freie Szene könnte von der Vakanz profitiere­n, zumindest deren Vertreter, die wie Constanza Macras oder Sasha Waltz in der Lage sind, große Bühnen zu bespielen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany