Matter Nachschlag
Erstaunlich handzahm präsentierte sich der Kulturausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus am späten Montagnachmittag in der ersten Sitzung nach der Abdankung des Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon. Keine konkreten Angaben zur finanziellen Schieflage, die doch der Auslöser der spektakulären Trennung war, wurden eingefordert. Keine Nachfrage erfolgte zu den zwei Millionen Euro Rückstellungen, über die die Volksbühne offenbar verfügt und die erst jetzt dem kommissarischen Intendanten Klaus Dörr freigegeben werden. Bei dem immerhin angeschnittenen Thema einer Abfindung für Dercon vermied Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) mit Verweis auf die laufenden Verhandlungen eine klare Ansage über deren Höhe.
Wird es an der Volksbühne jetzt so etwas wie ein zwölfmonatiges Theatertreffen geben?
Man weiß also nicht, wie groß der finanzielle Abdruck des Theaterneulings neben den 2,98 Millionen Euro Vorbereitungskosten und den 19,508 Millionen Euro Zuschuss für die laufende Spielzeit noch sein wird. Nicht einmal über die zwei Eigenproduktionen, die die Volksbühne offenbar bis in die nächste Spielzeit verschieben muss, was angeblich das strukturelle Defizit der Bühne so krass verstärkte, dass nur die Trennung übrig blieb, war Auskunft zu erhalten. Das alles verblüffte.
Lederer stellte immerhin klar, dass die Volksbühne keineswegs insolvent sei. Interims-Intendant Klaus Dörr soll nun den Spielbetrieb sicherstellen. Es deutet sich an, dass er zwei, vielleicht sogar drei Spielzeiten agieren kann, bis ein Nachfolger gefunden ist. Bis dahin herrscht so etwas wie freie Improvisation im Lückenfüllen. »Wir werden mit den Intendanten der anderen Berliner Theater beraten, welche Inszenierungen möglicherweise an der Volksbühne gezeigt werden können«, lautete eine Idee von Lederer. Er gab Dörr auch freie Hand, auf dem internationalen Markt nach geeigneten Produktionen zu suchen.
Am Rande der Sitzung wurde von Abgeordneten auch spekuliert, dass es jetzt so etwas wie ein zwölfmonatiges Theatertreffen an der Volksbühne geben könnte. Auch die freie Szene könnte von der Vakanz profitieren, zumindest deren Vertreter, die wie Constanza Macras oder Sasha Waltz in der Lage sind, große Bühnen zu bespielen.