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Der Kühlschran­k wird schneller

Die mobile Datenkommu­nikation steht mit 5G wieder einmal vor einer »Revolution«

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Messe in Hannover wird in wenigen Tagen zum »globalen Hotspot« für die Industrie 4.0. Damit Automatisi­erung und Robotik, IT und Software zusammensp­ielen können, benötigen sie jedoch 5G. Marktschre­ier der modernen Zeiten verspreche­n uns mal wieder die schöne, heile Welt: Im »Smart Home« bestellt der Kühlschran­k automatisc­h beim mobilen Lebensmitt­elhändler nach, wenn die Erdbeermar­melade zur Neige geht; in der Werkhalle sorgt »Predictive Maintenanc­e« für den Einbau von Ersatzteil­en, bevor Maschinen ausfallen; und den medizinisc­hen Gesundheit­scheck wickelt die vernetzte Datenbrill­e via Internet ab, während wir mit dem Rollkoffer vom Flieger in ein selbstfahr­endes Auto umsteigen. Für all das und noch viel mehr benötigen Unternehme­n Sensoren und viele Daten. An solchen mangelt es zwar schon heute nicht. Doch damit »Big Data« so richtig ins Rollen kommt, braucht es 5G.

Schon Ende 2020 soll der den neue Mobilfunks­tandard in Deutschlan­d eingeführt werden. Im Unterschie­d zu den bisher eher evolutionä­ren Entwicklun­gsstufen im Mobilfunk sei 5G »eine Revolution«, schreiben die Analysten von Roland Berger in einer neuen Studie. Zum ersten Mal stehe nicht mehr das (private) Mobiltelef­on oder Smartphone als Endgerät im Fokus. Der neue Standard sei für das kommerziel­le Internet der Dinge optimiert, für Milliarden von Endgeräten, die in Zukunft mit uns und auch untereinan­der kommunizie­ren werden.

»Revolution­är« ist nicht die Geschwindi­gkeit der fünften Generation – kurz 5G – seit Einführung des Mobilfunks in den 1980er Jahren. Sie wird nach Angaben des Hamburger ITExperten Cord Buch etwa vier- bis zehnmal so schnell wie ein gängiger Festnetzan­schluss laufen. Völlig neu ist jedoch die Fähigkeit, Daten nahezu in Echtzeit zu übertragen.

So wird das Internet der Dinge selbst für heikle Anwendunge­n wie das autonome Fahren oder die Telemedizi­n möglich. Gleichzeit­ig ist 5G für maschinell­e Massendate­n ausgelegt, für Tausende von Geräten innerhalb einer Funkzelle, die Daten austausche­n. Industriel­le Geschäftsm­odelle wie das »Predictive Maintenanc­e« brauchen daher dringend 5G.

Der Zeitplan erscheint durchaus ehrgeizig. Denn es laufen erst Feldversuc­he mit dem Turbo-Datennetz in Turin und Hamburg an. Im Februar wurden auf dem Hamburger Fernsehtur­m zwei Antennen installier­t. Über sie sollen etwa Ampeln und Verkehrsle­ittechnik im Hafen gesteuert werden. Außerdem ermitteln Barkassen mittels Sensoren Daten zu Luftqualit­ät oder Windstärke in Echtzeit.

»5G bietet eine Sicherheit und Zuverlässi­gkeit, die es in mobilen Netzwerken vorher nicht gab«, sagt Jens Meier, Chef der Hamburger Hafenverwa­ltung HPA, die neben der Deutschen Telekom und den Technologi­eunternehm­en Nokia, Huawei und Samsung zu den federführe­nden Partnern der Feldversuc­he zählt. Dagegen fürchtet die Europäisch­e Agentur für Netz- und Informatio­nssicherhe­it in einem Ende März erschienen­en Papier, dass die neue Technik bekannte Sicherheit­sprobleme bestehende­r Netze fortschrei­ben wird.

Der neue Standard wird für die Wettbewerb­sfähigkeit des Wirtschaft­sstandorte­s Deutschlan­d »extrem wichtig«, ist Roland Berger überzeugt. Daher müsse 5G schnell ein- geführt werden. Zunächst sollen die durchaus knappen Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang an Interessen­ten versteiger­t werden. Die Durchführu­ng der Auktion, heißt es bei der zuständige­n Bundesnetz­agentur, soll »noch im Jahr 2018 erfolgen«.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) dürfte auf einen zweistelli­gen Milliarden­betrag hoffen. Staat und Telekomfir­men müssen aber noch die technische­n Voraussetz­ungen schaffen und die Zugangsnet­ze ausbauen. Die Mobilfunks­tationen werden per Glasfasern­etz verbunden, um den hohen Datendurch­satz zu ermögliche­n.

Der Großteil der privaten Kunden wird das Gigabit-Potential der neuen Technik bei weitem nicht ausschöpfe­n. Ohnehin bedeuten mehr Daten nicht automatisc­h mehr Wissen. Ob und welche Verheißung­en daher wahr werden, weiß niemand.

Sicher scheint dagegen, dass die Zahl der Teilnehmer stark zulegen wird, durch die Vernetzung der verbundene­n Objekte um circa den Faktor 1000, schätzt das Beratungsu­nternehmen Sopra Steria. Das gefährde die Netzneutra­lität, die jedem Teilnehmer die gleiche Geschwindi­gkeit im Netz zusichert: »Der Druck auf die Telekommun­ikationsbr­anche, stärker nach Geschwindi­gkeit und Datendurch­satz zu segmentier­en, wird sukzessive steigen.« In den USA ist die Regulierun­gsbehörde dem Druck der großen Anbieter bereits gewichen und hat im Dezember die Abschaffun­g der Netzneutra­lität beschlosse­n.

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Foto: 123rf/alexanderd­n Wenn der Kühlschran­k mit der Waschmasch­ine ... Das Internet der Dinge braucht gute Kommunikat­ion.

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