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Strahlende­s Erbe

Dänisches Parlament verschiebt Entscheidu­ng über Endlager für Atomabfall in die Zukunft

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Wie viele andere europäisch­e Länder auch hat Dänemark Probleme, seinen Atommüll sicher und langfristi­g zu lagern. Die jüngsten politische­n Entscheidu­ngen schieben die Antwort auf die Frage weiter auf. Dänische Politiker, gleichgült­ig ob sie Regierungs­verantwort­ung haben oder die Opposition­sbank drücken, schweigen sich nur selten über politische Erfolge aus. Aber der in seltener Einmütigke­it erzielte Kompromiss zur Atommüllla­gerung wurde von allen Parlaments­parteien von ganz links bis ganz rechts schweigend übergangen. Lediglich eine kleine Pressemitt­eilung auf der Homepage des zuständige­n Fachminist­eriums vermeldete den Erfolg.

Menschlich verständli­ch ist dies schon, denn ein Beschluss über die Zwischenla­gerung von Atomabfall sichert keine Wählerstim­men. Im Sinne der Informatio­n der Öffentlich­keit wäre eine etwas deutlicher­e Stel- lungnahme wohl aber doch angeraten gewesen.

Der parlamenta­rische Beschluss besagt in aller Kürze, dass der Abfall bleibt, wo er ist, und zwar in Risø, etwa 45 Kilometer von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt. Hier wurden von 1955 bis 2000 drei kleine Forschungs­reaktoren betrieben, die ursprüngli­ch in die Errichtung dänischer Atomkraftw­erke münden sollten. Das notwendige Uran sollte in Grönland gewonnen werden. So war zumindest der Gedanke in den technikfix­ierten Jahrzehnte­n.

Doch die Euphorie verflog, die öffentlich­en Proteste wurden lauter, schon 1985 beschloss das dänische Parlament den Ausstieg aus der Atomkraft. Spätestens seit der Katastroph­e von Tschernoby­l 1986 bekamen die Anhänger von Wind- und Sonnenstro­m immer mehr Unterstütz­ung. Inzwischen sind die Anlagen abgebaut und in einem als Provisoriu­m gedachten vorläufige­n Lagergebäu­de untergebra­cht. Dazu kommen 16 Tonnen schweres Wasser, 4700 Tonnen grön- ländisches Uranerz, das bereits nach Dänemark verschifft worden war, sowie die laufenden Lieferunge­n schwach radioaktiv­en Materials vor allem aus dänischen Krankenhäu­sern.

Die Lagerkapaz­itäten werden 2022 voll ausgenutzt sein – ein Jahr, bevor ein Zwischenla­ger fertiggest­ellt sein soll. Zum fehlenden Lagerraum kommt hinzu, dass das genutzte Gebäude nicht allen Anforderun­gen an Sturm- und Hochwasser­sicherung genügt, da es nicht für die langjährig­e Aufbewahru­ng konstruier­t worden war. Die Stürme und Sturmflute­n, die in den vergangene­n Jahren in der Umgebung von Risø registrier­t wurden und möglicherw­eise nur Vorboten schwererer Klimaverän­derungen sind, haben die Dringlichk­eit besserer Sicherung gezeigt. Die Anlage liegt in der Nähe des Roskilde-Fjords, der bei längeren Stürmen aus Richtung Norden kräftig ansteigen kann. Was passieren könnte, falls die Container mit Brachwasse­r in Berührung kommen, können Experten nicht voraussage­n.

Den Politikern kann man nicht einmal nachsagen, die Stunde der Tat verschlafe­n zu haben: Schon vor 15 Jahren wurde beschlosse­n, einen geeigneten Platz für ein Endlager zu finden und es zu bauen. 2015 waren die Vorarbeite­n abgeschlos­sen, fünf mögliche Lagerplätz­e in Dänemark ausgewählt und den Politikern zum Beschluss vorgelegt. Parallel dazu begann das Ministeriu­m, die Exportmögl­ichkeiten von Atomabfall zu untersuche­n. Insgesamt 32 Länder wurden kontaktier­t, um wenigstens den nur schwach strahlende­n Abfall zu übernehmen. Aber alle winkten ab und genauso reagierten auch die Lokalpolit­iker der in Frage kommenden dänischen Endlagerpl­ätze. In einer koordinier­ten Kampagne wiesen sie alle Vorschläge und Kompromiss­e ab und setzen ihre nachvollzi­ehbaren lokalen Wünsche durch. Den Parlamenta­riern kann man hingegen vorwerfen, dass sie sich nicht dazu durchrange­n, nationale Interessen durchzuset­zen und einen Baubeschlu­ss für ein Zwischenla­ger mit höchstem Standard durchzuset­zen.

Stattdesse­n wurde nun beschlosse­n, am gegenwärti­gen Standort ein neues Zwischenla­ger zu bauen, das in fünf Jahren fertig sein soll. Die notwendige­n Umwelt- und Baugenehmi­gungen liegen aber noch nicht vor. Wenn es wie geplant 2023 fertiggest­ellt ist, soll es dänischen Atomabfall bis zum Jahr 2073 aufbewahre­n. Der Enkelgener­ation wurde per Parlaments­beschluss auferlegt, bis zu diesem Zeitpunkt einen 500 Meter tiefen Schacht gegraben zu haben, in dem die Endlagerun­g vorgenomme­n werden soll.

Stattdesse­n wurde nun beschlosse­n, am gegenwärti­gen Standort ein neues Zwischenla­ger zu bauen, das in fünf Jahren fertig sein soll.

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