nd.DerTag

Lexikon der Bewegungss­prache

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Wenn alle Theorien brüchig werden und die Bewegung schmerzhaf­t zwischen Alltag und Sachzwang zerrieben wird, liegt sie als Antwort kühl und glatt in der Hand: Entweder einfach nur als Lebensgefü­hl oder als Distinktio­nsmerkmal (»Augustiner oder Sternburg?«). Leer getrunken hat sie weitere Verwendung: Mindestens am 1. Mai fliegt sie Jahr für Jahr über den Berliner Lauseplatz und zerspringt auf dem Pflaster, um daran zu erinnern, dass darunter der Strand wartet. Ein paar Punker haben dabei Angst um die Pfoten ihrer Köter (»Ey, die Hunde!«). Während die Bierflasch­e in der guten alten Zeit in hohem Bogen und in Flammen auf die Staatsmach­t flog, knirscht sie jetzt häufig nur noch unter den Sohlen taumeliger MyFest-Besucher. Diese wissen nicht, dass sie mit ihren Plastikbec­hern – die niemals eine Waffe werden können – über die Scherben der Geschichte wandern. In dieser Umgebung steht man nun als Linker und sieht auf die Kreuzberge­r Feiermasse­n und Craftbeer-Läden, in denen sich die kapitalist­ische Verwertung­slogik des Alkohols zeigt. Die Molle in der Hand spiegelt dabei die Welt so, wie sie eben ist: braun und verzerrt. Dann, mit dem letzten Schluck, an ihrem Boden nur noch das Gefühl der schalen Bitterkeit, die sich einstellt, wenn Menschen freundlich nach den acht Cent, die das Flaschenpf­and einbringt, fragen müssen. Na dann: Prost.

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