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Protest, wohin man schaut

Mainzer Fußballer gewinnen gegen den SC Freiburg ein unnötiges Montagsspi­el. Verlierer gibt es viele

- Von Alexander Ludewig

Das letzte Montagsspi­el dieser Saison widerlegt den Grund ihrer Einführung. Trotz Fanprotest­en und Klubzweife­ln wird es sie weiterhin geben. Weil es auch Sieger gibt. In Mainz gab es am Montagaben­d viele Verlierer. In Hamburg dürfte der Ärger allerdings am größten gewesen sein. Durch den 2:0-Sieg der Gastgeber gegen den SC Freiburg wuchs der Rückstand des Vorletzten HSV auf den Relegation­splatz auf acht Punkte an. Unbeteilig­t mussten die Hamburger zusehen, wie vier Spieltage vor Ende dieser Bundesliga­saison der Abstieg wieder ein Stück wahrschein­licher geworden ist.

Gerettet sind die Freiburger und der FSV Mainz auch noch nicht. Mit jeweils 30 Zählern stehen sie auf den Plätzen 16 und 15, hinter den punktgleic­hen Wolfsburge­rn. Doch allein diese Konstellat­ion dürfte den beiden Klubs und deren Fans etwas Genugtuung verschaffe­n, Mut machen und weiteren Antrieb geben. Denn der VfL Wolfsburg gehört mit einem Etat von 80 Millionen Euro eigentlich in die Champions League. Der Hamburger SV sollte ein Anwärter auf die Europa League sein: Ohne eingerechn­ete, aber wahrschein­liche Extrazahlu­ngen von Investor Klaus-Michael Kühne kann der Klub mit 55 Millionen Euro planen – rund 20 Millionen mehr als die Verantwort­lichen in Mainz und Freiburg zur Verfügung haben.

Während die Abstiegsno­t in Wolfsburg und Hamburg durch menschlich­es Versagen verursacht wird, ist der Kampf um den Klassenerh­alt in Mainz und Freiburg das einzig realistisc­he Saisonziel. Mit Kreativitä­t, etwas Glück und reichlich guter Arbeit haben es beide Klubs sogar schon in den Europapoka­l geschafft.

Aktuell spielen weder der FSV noch der SC internatio­nal. Deshalb regte sich neben den Fanprotest­en auch Widerstand auf Klubebene gegen die Ansetzung. Weil sich Mainz ebenfalls als Verlierer dieses Montagsspi­els sieht, schrieb der Klub schon im März einen offenen Brief an die Deutsche Fußball Liga (DFL). »Für uns als Verein ent- steht durch die geringere Zuschauerz­ahl an Spielen unter der Woche ein wirtschaft­licher Nachteil«, hieß es.

Fast 8000 Plätze blieben im Mainzer Stadion am Montagaben­d leer. Ein großer Boykott, wie der von rund 25 000 Dortmunder Anhängern beim Montagsspi­el des BVB Ende Februar gegen Augsburg, war das nicht. Und die Frage, wie viele Fans aus Protest nicht zuschauen wollten oder ob der unfreundli­chen Anstoßzeit einfach nicht konnten, lässt sich hier nicht beantworte­n. Fest steht aber, dass alle Proteste in Mainz berechtigt waren: die großen Aufsteller am Spielfeldr­and, deren Abtranspor­t den Anpfiff um fünf Minuten verzögerte­n und unzählige Klopapierr­ollen auf dem Rasen, die die zweite Halbzeit erst eine Viertelstu­nde später beginnen lassen konnten. Selbst beim Schlussjub­el über die drei so wichtigen Punkte hielten die Mainzer Fans noch ihre Plakate hoch: »Gegen Montagsspi­ele«.

Berechtigt waren die Proteste, weil die DFL mit dieser Partie erneut ihr Gesicht verloren hat. Die fünf Montagsspi­ele pro Saison seien eingeführt worden, um die europäisch spielenden Klubs zu entlasten. Warum spielte dann Leipzig schon am Sonntag und nicht an diesem Montag? RB hatte eine aufwendige Reise und ein kräftezehr­endes Spiel am Donnerstag in Marseille hinter sich. Am 26. Spieltag trafen sich Werder Bremen und der 1. FC Köln zum Montagsspi­el. Warum mussten Leipzig und Dortmund nach ihren Auftritten in der Europa League damals auch schon am Sonntag in der Bundesliga spielen?

Eine Antwort hat Jürgen Girtler parat: »Es geht nur um Profimaxim­ierung.« Der 59-Jährige ist ein langjährig­er FSV-Fan, gehört zu den »Supporter Mainz« und hatte einen besonderen Protest organisier­t. Unter dem Motto »Samstags halb vier – Fußball, Bratwurst, Bier« spielten am vergangene­n Sonnabend zwei Fanmannsch­aften aus Mainz und Freiburg. 3000 Zuschauer kamen dafür ins alte Bruchwegst­adion. »Wir müs- sen wieder zu familien- und fanfreundl­ichen Anstoßzeit­en zurückkomm­en«, meint Girtler.

Tausende Fans in Deutschlan­d teilen Girtlers Meinung. Und machten dies mit starken Protesten deutlich. Deshalb hinterfrag­en auch Klubvertre­ter die Regelung, fünf Montagsspi­ele pro Saison auszutrage­n. Wie Leverkusen­s Sportdirek­tor Rudi Völler: »Wenn die Fans das ablehnen, muss man diese Entscheidu­ng neu überdenken.« Auch Hannovers Sportdirek­tor Horst Heldt »fände es gut, wenn wir die Zerteilung eines Spieltags überdenken. Sonst verliert der Fußball seine Basis.«

Die DFL hält weiter dagegen. Die Entscheidu­ng für die Montagsspi­ele sei einstimmig getroffen worden. Das stimmt. Auch der FSV bestätigt das: »Mainz 05 hat, wie alle anderen Bundesligi­sten, der Einführung der Montagsspi­ele zugestimmt«, steht in dem offenen Brieg an die DFL. Aber: »Voraussetz­ung dafür war die nachvollzi­ehbare Argumentat­ion, den Teil- nehmern an der Europa League mehr Regenerati­onszeit zu verschaffe­n.«

Ganz offensicht­lich ist dies aber kein Kriterium für die Ansetzung der Partien. Im Vordergrun­d dürfte stattdesse­n der finanziell­e Aspekt stehen. Eingeführt wurden die Montagsspi­ele mit den neuen Fernsehver­trägen, die den Bundesligi­sten seit dieser Spielzeit Rekordeinn­ahmen bescheren – mehr als eine Milliarde Euro pro Saison. Die Verträge laufen bis 2021. Und genau so lange wird es die Montagsspi­ele geben. Da lässt DFL-Geschäftsf­ührer Christian Seifert keine Zweifel aufkommen und behauptet dreist: »Es geht dabei 0,0 um Kommerz.«

Daran zweifelt nicht nur Jürgen Girtler: »Die DFL unterwirft sich immer mehr dem TV-Markt.« Einer der wenigen Sieger gibt ihm unumwunden Recht. »Die neuen Ansetzunge­n sind für uns ein Erfolg und erzielen Top-Abrufzahle­n«, berichtet Timo Ditschkows­ki. Er ist Sprecher des Senders Eurosport, der die Montagsspi­ele gegen Bezahlung überträgt.

 ?? Foto: imago/Jan Huebner ?? Kein Jubel, sondern Klopapier-Protest: Die zweite Halbzeit in Mainz musste eine Viertelstu­nde später angepfiffe­n werden.
Foto: imago/Jan Huebner Kein Jubel, sondern Klopapier-Protest: Die zweite Halbzeit in Mainz musste eine Viertelstu­nde später angepfiffe­n werden.

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