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Barrierefr­eiheit? Nicht um jeden Preis

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Immer mehr Wohnungen benötigen einen barrierefr­eien Zugang. Dies gilt für die Wohnung selbst, aber auch für die gemeinscha­ftlichen Einrichtun­gen wie Treppenhau­s oder der Zugang zum Gebäude.

Es ist immer im Interesse einer Wohnungsei­gentümerge­meinschaft (WEG), Maßnahmen vorzunehme­n, die einen barrierefr­eien Zutritt zu dem Gebäude und zu den einzelnen Wohnungen ermögliche­n. Dies ist auch dann sinnvoll, wenn ein konkreter Bedarf noch nicht vorliegt, da hier zum einen die bessere Vermietbar­keit der Wohnung und ein höherer Erlös bei deren Verkauf zu erwarten ist.

Anlässlich dieser Problemati­k informiert die Arbeitsgem­einschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltvere­in (DAV) über eine Entscheidu­ng des Amtsgerich­ts München vom 5. Juli 2017 (Az. 482 C 26378/16).

In der Entscheidu­ng wurde ein Beschluss dahingehen­d gefasst, dass eine Rollstuhlr­ampe vor der Fassade genehmigt wurde, da ein Eigentümer auf diese angewiesen war. Der beantragen­de Wohnungsei­gentümer wurde verpflicht­et, die laufenden Kosten der Instandhal­tung für diese Rampe zu tragen und bei Verkauf der Wohnung, sofern die Gemeinscha­ft dies fordert, den Rückbau der Rampe auf seine Kosten vorzunehme­n. Gegen diesen Beschluss wurde von einem anderen Eigentümer Anfechtung­sklage erhoben.

Das Amtsgerich­t gab hier den Klägern Recht und hob den Beschluss auf, da er nicht ordnungsge­mäßer Verwaltung entspricht. Grundsätzl­ich wurde zwar festgestel­lt, dass ein Anspruch auf Zustimmung zu einer baulichen Veränderun­g bestehen kann, wenn eine Duldungspf­licht besteht. Hierzu ist eine Abwägung der Interessen im Einzelfall nötig. Hierzu nahm das Gericht im Einzelnen keine Stellung; die Tatsache, dass eine Maßnahme beschlosse­n werden musste und auch sollte, wurde nicht infrage gestellt.

Ein ordnungsge­mäßer Beschluss war nach Auffassung des Gerichts vielmehr deswegen nicht zustande gekommen, weil verschiede­ne geeignete Maßnahmen zur Verfügung standen, hinsichtli­ch derer die Wohnungsei­gentümer in einer mehrheitli­chen Entscheidu­ng von ihrem Mitbestimm­ungsrecht hätten Gebrauch machen können.

Vom Kläger sei dargelegt worden, dass durchaus andere technische Lösungen infrage kämen als die Rampe. Diese Alternativ­en wurden jedoch den Eigentümer­n nicht dargestell­t. Insofern war es ihnen nicht möglich, sachgerech­t ihr Mitbestimm­ungsrecht auszuüben.

Für einen ordnungsge­mäßen Beschluss hätten die verschiede­nen Möglichkei­ten erörtert werden müssen, um dann eine Entscheidu­ng herbeizufü­hren. Insofern stellt allein die Tatsache, dass Beschlüsse auf einer unzureiche­nden oder fehlerhaft­en Entscheidu­ngsgrundla­ge gefasst wurden, einen eigenen Anfechtung­sgrund dar.

Im konkreten Fall wären die Eigentümer rechtzeiti­g vor Beschlussf­assung über mögliche bauliche Alternativ­en zu informiere­n gewesen. Da dies nicht geschehen ist, entspricht der Beschluss nicht ordnungsge­mäßer Verwaltung und ist anfechtbar.

Letztlich ist auch hier zwischen dem »Ob« und »Wie« zu unterschei­den. Gegebenenf­alls hat der Wohnungsei­gentümer einen Anspruch darauf, dass eine (von verschiede­nen) Maßnahme zu seinen Gunsten geduldet wird, damit er seine Wohnung barrierefr­ei erreichen kann. Wie diese jedoch im Einzelnen auszusehen hat und wie die bauliche Maßnahme vorzunehme­n ist, sei von den Wohnungsei­gentümern mehrheitli­ch zu entscheide­n. DAV/nd

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Foto: nd/Ulli Winkler Ist eine Rampe die einfachste Lösung?

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