Was bleibt von der Rentenerhöhung übrig?
Am 1. Juli gibt es wieder eine Rentenerhöhung. Viele Rentner fragen sich: Was bleibt von der Erhöhung am Ende übrig?
Ab 1. Juli 2018 wird die Rente im Osten um 3,37 Prozent und im Westen um 3,22 Prozent erhöht. Dadurch müssen zahlreiche Rentner erstmals nach Ende ihres Arbeitslebens wieder Steuern bzw. höhere Steuern zahlen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums führt das Rentenplus 2018 bei etwa 54 000 Steuerpflichtigen erstmals (wieder) zu einer steuerlichen Belastung. Damit sind 4,4 Millionen Steuerpflichtige mit Renteneinkünften Steuerzahler.
Rentenbeginn ist entscheidend Zunächst: Steuerpflichtig ist jede natürliche Person mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Steuerpflicht heißt aber nicht automatisch, dass eine Steuererklärung eingereicht werden muss und Steuern gezahlt werden müssen.
Das wichtigste Kriterium, ob Rentner eine Steuererklärung abgeben müssen, ist der Rentenbeginn. Durch das Alterseinkünftegesetz wird die Besteuerung der Rente Schritt für Schritt umgestellt auf die nachgelagerte Besteuerung. Das heißt: Seit 2005 steigt für jeden neuen Rentnerjahrgang der Anteil der zu versteuernden Rente an.
Bei Rentenbeginn 2005 und davor mussten 50 Prozent der Rente versteuert werden. Bei Rentenbeginn 2017 sind bereits 74 Prozent der Bruttorente zu versteuern, nur 26 Prozent bleiben steuerfrei. Dieser steuerfreie Betrag wird festgeschrieben. Jede folgende Rentenerhöhung wird in voller Höhe dem steuerpflichtigen Teil zugeschlagen. Lediglich bei Rentenneuberechnungen, zum Beispiel durch die Mütterrente, erfolgt eine Neufestsetzung des steuerfreien Teils.
Ein Beispiel für eine alleinstehende Rentnerin aus den neuen Bundesländern: Sie bezieht seit 1999 Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. 2005 waren es 12 723 Euro im Jahr, davon wurden jeweils 50 Prozent (6361 Euro) als steuerfrei bzw. steuerpflichtig festgesetzt. 2017 bezog die Rentnerin 16 160 Euro Rente.
Davon waren nach wie vor 6361 Euro steuerfrei. Der steuerpflichtige Teil erhöhte sich um die Rentenerhöhungen aus den Jahren 2006 bis 2017 auf 9798 Euro (50 Prozent der Rente aus 2005 zzgl. der vollen Rentenerhöhungen von 3437 Euro).
2018 kommen 3,37 Prozent der Bruttorente hinzu, so dass 2018 der steuerpflichtige Teil der Alterseinkünfte die 10 000 Euro überschreiten wird. In diesem Fall sind aus den ursprünglichen 50 Prozent steuerfrei und 50 Prozent steuerpflichtig bezogen auf die Bruttorente 2017 nur noch 39,4 Prozent steuerfrei und 60,6 Prozent steuerpflichtig geworden. In unserem Fall hatte die Rentnerin 2017 eine zu versteuernde Rente von 9798 Euro.
Muss eine Steuererklärung abgegeben werden?
Gehört die Rentnerin in unserem Fallbeispiel damit zu den Betroffenen, die für das Jahr 2017 eine Steuererklärung abgeben müssen? Rechnen wir weiter: Von den steuerpflichtigen Einnahmen werden pauschal 102 Euro für Werbungskosten abgezogen, um die Einkünfte zu ermitteln. Werbungskosten können bei Rentnern Beiträge zur Gewerkschaft oder anderen Berufsverbänden, 16 Euro Kontoführungspauschale pro Jahr und anteilige Steuerberatungskosten sein. Liegen diese Aufwendungen über 102 Euro, kann der höhere Betrag abgezogen werden.
In unserem Beispiel sind die Einkünfte der Rentnerin unverändert 9798 Euro abzgl. 102 Euro = 9696 Euro. Nach § 56 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung müssen Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben, wenn die Summe aller Einkünfte den Grundfreibetrag übersteigt. Dieser lag 2017 bei 8820 Euro (für Ehepaare verdoppelt auf 17 640 Euro). 2018 wurde der Grundfreibetrag auf 9000 Euro erhöht.
In unserem Beispiel hatte die Rentnerin keine weiteren Einkünfte, so dass die Summe der Einkünfte 9696 Euro beträgt. Damit hat sie 2017 den Grundfreibetrag überschritten und ist verpflichtet, beim Finanzamt eine Steuererklärung einzureichen.
Müssen nun tatsächlich Steuern gezahlt werden? Grundlage für die Festsetzung der Steuer ist das zu versteuernde Einkommen. Um dieses zu ermitteln, können noch weitere private Aufwendungen von der Summe der Einkünfte abgezogen werden. Das sind die Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen. Sonderausgaben sind vor allem Vorsorgeaufwendungen wie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Gemäß Rentenbezugsmitteilung wurden bei unserem Fallbeispiel für 2017 insgesamt rund 1358 Euro Beiträge zur Krankenversicherung und 412 Euro zur Pflegeversicherung einbehalten. Daraus ergibt sich folgende Berechnung des zu versteuernden Einkommens: Summe der Einkünfte 9696 Euro abzgl. Vorsorgeaufwendungen 1771 Euro abzgl. 36 Euro Pauschbetrag für Spenden u.ä. = 7889 Euro zu versteuerndes Einkommen.
Dieses zu versteuernde Einkommen liegt unter dem Grundfreibetrag von 8820 Euro zur Sicherung des Existenzminimus. Somit erfolgt keine Steuerfestsetzung. Es bestand zwar die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, doch der Fiskus geht leer aus. Da das Finanzamt diese Werte kennt, wird meist auf die Anforderung einer Steuererklärung verzichtet.
2018 dürfte es ähnlich sein. Durch das Rentenplus ergibt sich zwar eine höhere Summe der Einkünfte, aber auch die abzugsfähigen Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung erhöhen sich. Zudem wurde der Grundfreibetrag auf 9000 Euro erhöht.
Was passiert, wenn die Einkünfte höher sind?
Das kann der Fall sein, wenn man neben der Altersrente noch eine Betriebs- oder Hinterbliebenenrente bezieht. In unserem Fallbeispiel wurden 1771 Euro Vorsorgeaufwendungen abgezogen. Der Höchstbetrag liegt bei 1900 Euro (Ehepaare 3800 Euro).
Um die Differenz aufzufüllen, könnten noch 129 Euro weitere Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht werden. Das können private Haftpflichtversicherung, Kfz-Haftpflichtversicherung (kein Kasko), Unfallversicherung, private Zusatzkrankenund Pflegeversicherung, Sterbegeld- oder andere Formen von Lebensversicherungen sein. Anstelle des Pauschbetrages von 36 Euro können höhere Beiträge und Spenden für gemeinnützige Vereine abgesetzt werden.
Abzug von außergewöhnlichen Belastungen
Daneben bestehen noch Abzugsmöglichkeiten für die außergewöhnlichen Belastungen. Bei Rentnern sind dies häufig die Zuzahlungen für die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, vor allem Rezeptgebühren, Privatrezepte, Vorsorgeuntersuchungen, Leistungen von Fachärzten und Augenoptiker, ärztlich verordnete Kuren (auch im Ausland) und Rehasport usw.
Allerdings gibt es eine zumutbare Eigenbelastung. Die genannten Aufwendungen müssen diese Zumutbarkeitsgrenze überschreiten. In dem Fallbeispiel lag diese zumutbare Eigenbelastung bei 5 Prozent der Einkünfte (9696 Euro, also 485 Euro. Nachweislich hatte die Rentnerin Aufwendungen für 2684 Euro. Das Finanzamt würde vorbehaltlich der rechtlich zulässigen Abzugsfähigkeit dieser Kosten 2199 Euro berücksichtigen. 485 Euro zumutbare Eigenbelastung sind quasi die Selbstbeteiligung, die steuerlich nicht geltend gemacht werden kann.
Der zweite größere Posten bei außergewöhnlichen Belastungen sind Aufwendungen bei Körperbehinderung und für Pflege (unter Anrechnung der Leistungen der Pflegeversicherung). Ohne Anrechnung auf die zumutbare Eigenbelastung wird der durch die Behinderung verursachte Mehraufwand durch einen pauschalen Freibetrag berücksichtigt. Beim Grad der Behinderung von 80 sind es 1060 Euro.
Wenn nach Abzug der außergewöhnlichen Belastungen ein zu versteuerndes Einkommen über 8820 Euro (Ehepaare 17 640 Euro) übrigbleibt, dann kommt es zur Steuerfestsetzung. Übersteigt diese 400 Euro, werden seitens der Finanzämter in der Regel für das folgende Jahr vierteljährliche Vorauszahlungen festgesetzt, um eine hohe einmalige Nachzahlung zu vermeiden.
Lässt sich die festgesetzte Steuer noch verringern?
Die ist möglich durch die Anrechnung von Parteibeiträgen sowie haushaltsnahen Dienstleistungen oder für den Haushalt erbrachte Handwerkerleistungen. 50 Prozent der Parteibeiträge und Parteispenden werden von der festgesetzten Einkommenssteuer abgezogen.
Bei haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen werden 20 Prozent der Lohnkosten über eine Steueranrechnung erstattet. Dazu gehören auch Leistungen, die im Rahmen der Betriebskosten vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden (Winterdienst, Gebäudereinigung, Gartenpflege, Wartungsarbeiten an Heizung und Fahrstuhl sowie Hausmeister). Wenn nach dieser Anrechnung immer noch Einkommensteuer übrigbleibt, muss man in den berühmten »sauren Apfel« beißen.
Beispiel der Auswirkungen vom Rentenplus 2018
Lag der Rentenbeginn im Jahr 2016, dann wirkt sich im Osten die Rentenerhöhung von 2017 (3,59 Prozent) für 6 Monate aus und 2018 für das ganze Jahr, da- zu ab Juli 2018 das Plus von 3,37 Prozent für 6 Monate.
Bei einer angenommenen monatlichen Bruttorente von 1500 Euro (Juni 2017) erhielt der Ruheständler bei einer Erhöhung ab Juli 2017 von 3,59 Prozent monatlich 53,85 Euro mehr, also insgesamt 323 Euro für 6 Monate (insgesamt 18 232 Euro Bruttorente). Dazu kommt die Erhöhung ab Juli 2018 (3,37 Prozent). Das sind bezogen auf das zweite Halbjahr 2018 weitere 314 Euro, also insgesamt 637 Euro mehr Rente als im Vorjahr. Dieser Betrag geht zu 100 Prozent in das zu versteuernde Einkommen ein. Davon werden noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen.
Wie hoch die Steuern auf diese höhere Rente tatsächlich ausfallen, ist schwer zu beantworten, da die Höhe des individuellen Steuersatzes von vielen Faktoren abhängig ist (Renteneintrittsjahr, Familienstand, abzugsfähige Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen).
Beim obigen Beispiel: Rentner, alleinstehend, kerngesund. Er wird 2018 insgesamt 18 323 Euro + 637 Euro Rente erhalten. Aufgrund seines Renteneintritts 2016 sind von der ersten vollen Jahresrente 2017 (18 323 Euro 28 Prozent als Steuerfreibetrag festgeschrieben (5130 Euro), die restlichen 72 Prozent sind steuerpflichtig.
Daraus folgt: Bruttorente 2018 – 18 960 Euro abzgl. festgeschriebener Steuerfreibetrag 5130 Euro = 13 830 Euro, abzügl. Werbungskostenpauschale für Rentner 102 Euro = Summe der Einkünfte 13 728 Euro, abzügl. Sonderausgabenpauschale 36 Euro sowie Kranken- und Pflegeversicherung 2114 Euro = 11 578 Euro zu versteuerndes Einkommen.
Die darauf zu zahlende Einkommensteuer beträgt 427 Euro. Zum Vergleich: 2017 betrug die Einkommensteuer nur 322 Euro. Das bedeutet: Von den 637 Euro mehr Rente in 2018 gehen 71 Euro an die Krankenkasse und 105 Euro an das Finanzamt. Somit verbleiben dem Rentner in unserem Beispiel tatsächlich nur etwa 72,4 Prozent der Rentenerhöhung. Zieht man davon noch den jährlichen Inflationsverlust (Prognose für 2018 bei 1,6 Prozent) ab, so verringert sich das Plus weiter. Und natürlich: Je höher die Renteneinkünfte (beispielsweise durch Hinterbliebenen- oder Betriebsrente) sind, desto höher ist der prozentuale Anteil, der beim Fiskus landet.
Mit einem Wort: Wie gewonnen, so zerronnen ...
Der Autor ist Leiter einer Beratungsstelle in Berlin der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V. – LStHV – Sitz Gladbeck.