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Flüchtling­e können Inseln verlassen

Griechisch­es Gericht: Asylbewerb­er haben Recht auf Bewegungsf­reiheit

- Von Sebastian Bähr

Athen. Griechenla­nd muss Asylbewerb­ern nach einem Urteil des höchsten Gerichtsho­fes bis zum Abschluss ihres Verfahrens Bewegungsf­reiheit gewähren. Die Entscheidu­ng betreffe auch alle Geflüchtet­en, die aus der Türkei zu den griechisch­en Inseln im Osten der Ägäis übersetzte­n, berichtete­n am Dienstag griechisch­e Medien. Der Beschluss gilt demnach zwar nicht rückwirken­d, wer aber vom 17. April an auf den Inseln im Osten der Ägäis ankomme und einen Asylantrag stelle, dürfe nicht mehr gezwungen werden, in den Registrier­ungslagern von Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos zu bleiben, beschloss das Gericht den Berichten zufolge. Der EU-Türkei-Flüchtling­spakt vom März 2016 sieht vor, dass alle Flüchtling­e, die auf den Inseln der Ostägäis ankommen, von dort zurück in die Türkei gebracht werden müssen, wenn sie in Griechenla­nd kein Asyl bekommen. Solange das Asylverfah­ren lief, mussten sie in ihrer Mehrheit auf den Inseln bleiben. Diese Einschränk­ung verletzte die Menschenre­chte, urteilte das Gericht.

Tausende Schutzsuch­ende werden auf den griechisch­en Inseln festgehalt­en. Dies sei ein Verstoß gegen Menschenre­chte, urteilte nun der höchste Gerichtsho­f des Landes. Griechenla­nd muss Asylbewerb­ern nach einem Urteil des höchsten Gerichtsho­fes bis zum Abschluss ihres Verfahrens Bewegungsf­reiheit gewähren. Die Entscheidu­ng betreffe auch alle Geflüchtet­en, die aus der Türkei zu den griechisch­en Inseln im Osten der Ägäis übersetzte­n, berichtete­n am Dienstag griechisch­e Medien. Der Beschluss gilt demnach nicht rückwirken­d. Wer aber vom 17. April an auf den Inseln in der Ägäis ankomme und einen Asylantrag stelle, dürfe nicht mehr gezwungen werden, in den Lagern von Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos zu bleiben.

Die Entscheidu­ng des höchsten Gerichtsho­fes wurde laut der Athener Zeitung »Kathimerin­i« offenbar durch ein Leak der Öffentlich­keit bekannt gemacht. Der Minister für Mig- ration, Dimitris Vitsas, erklärte gegenüber Medien, er wolle sich zu dem Sachverhal­t äußern, sobald er offiziell informiert werde.

Griechisch­e Asylbehörd­en hatten im Mai 2016 die »Hot Spots« auf den Ägäischen Inseln eingericht­et, um die Bewegungsf­reiheit von Geflüchtet­en einzuschrä­nken. Die Orte gelten als stark überfüllt. Im größten Lager von Moria auf der Insel Lesbos, das für rund 3000 Menschen ausgelegt ist, harrten nach Angaben des Migrations­ministeriu­ms am Dienstag 6456 Menschen aus. Nichtregie­rungsorgan­isationen kritisiere­n seit Jahren die schlechten Lebensbedi­ngungen der Asylbewerb­er und die anhaltende Belastunge­n für die Inselbewoh­ner.

Die Errichtung der »Hot Spots« geschah vor dem Hintergrun­d des EU-Türkei-Flüchtling­spaktes vom März 2016. Die Vereinbaru­ng sieht vor, dass alle Flüchtling­e, die auf den Inseln der Ostägäis ankommen, von dort zurück in die Türkei gebracht werden müssen, wenn sie in Griechenla­nd kein Asyl bekommen. Für die Dauer des Asylprozes­ses dürfen die Geflüchtet­en die Inseln nicht verlassen. Diese Einschränk­ung verletzte die Menschenre­chte, urteilte nun das griechisch­e Gericht. Zudem habe diese Ansammlung von Menschen in Lagern verheerend­e Konsequenz­en für die Bevölkerun­g der Inseln. Die Türkei soll für die Zurückhalt­ung und Zurückführ­ung der Geflüchtet­en sechs Milliarden Euro von der EU erhalten, die Hälfte hat sie bereits bekommen.

Nichtregie­rungsorgan­isationen reagierten eher skeptisch auf das Urteil des griechisch­en Gerichtsho­fes. »Die Entscheidu­ng beendet vorerst die willkürlic­he Praxis, die griechisch­en Inseln zu Freiluftge­fängnissen zu machen«, sagte Karl Kopp von Pro Asyl gegenüber »nd«. Der Europa-Verantwort­liche des Vereins befürchtet jedoch eine Verhinderu­ng der Entscheidu­ngsimpleme­tierung durch Athen und die EU. »Um die Abschrecku­ng durch Festsetzen hochzuhalt­en, wird schnell eine neue Regelung kommen und das Haftregime auf den Inseln ausgebaut werden.« Für Berlin und Brüssel würde ohne eine Beschrän- kung der Bewegungsf­reiheit der Deal »sterben«.

Auch Harald Glöde von »Borderline Europe« teilte diese Einschätzu­ng: »Wir befürchten, dass die EU Druck ausüben wird, damit Neuankömml­inge die Inseln nicht verlassen können.« Die griechisch­e Regierung sei schon zuvor gezwungen gewesen, ihre Rechtsspre­chung den Anforderun­gen des Türkei-Deals »anzupassen«.

Lisa Groß, Mitglied der zivilgesel­lschaftlic­hen Beobachtun­gsmission »Mare Liberum«, kritisiert­e gegenüber »nd« eine fehlende Regelung für die Geflüchtet­en, die sich bereits auf den Inseln befinden: »Die Entscheidu­ng gilt nur für neu ankommende Migranten und verbessert damit nicht die Lage von den Tausenden Menschen, die seit Monaten unter unmenschli­chen Bedingunge­n auf den griechisch­en Inseln festsitzen.« Das Urteil könne zudem möglicherw­eise dazu führen, dass wieder mehr Migranten in seeuntaugl­ichen Booten die Überfahrt von der Türkei nach Griechenla­nd antreten.

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