nd.DerTag

Die Euphorie war nur kurz

Palästinen­sische Einheit weiter nur auf dem Papier

- Oliver Eberhardt

Inmitten der bewaffnete­n Brigadiste­n, der Polizisten der Hamas, die in Gaza-Stadt das Leben kontrollie­ren, fallen auch immer wieder Beamte in den Uniformen der offizielle­n palästinen­sischen Regierung auf. Im Herbst waren sie in den Gazastreif­en verlegt worden, nachdem sich die Fatah, die die offizielle Regierung dominiert, und die Hamas auf eine Übergabe der Kontrolle an eine Einheitsre­gierung geeinigt hatten. Doch die Euphorie, die darauf folgte, währte nur kurz: Die Hamas weigerte sich dann doch, entscheide­nde Teile des Machtappar­ats zu übergeben; die bewaffnete­n Gruppen erklärten unisono, sie ließen sich ohnehin von niemandem kontrollie­ren. Und so blieben auch die Öffnung nach außen, die Reisefreih­eit, das bessere Leben aus, die sich die Öffentlich­keit erhofft hatte; das ohnehin schon sehr geringe Vertrauen in die Regierung von Präsident Mahmud Abbas ist heute nahe dem Nullpunkt angekommen. Und die Strategie Israels und der internatio­nalen Gemeinscha­ft damit erkennbar gescheiter­t.

Jahrelang hatte man auf die Theorie vertraut, dass die Menschen schon in die Arme der offizielle­n Regierung zurückströ­men würden, wenn man die Hamas nur ausreichen­d isoliert und boykottier­t; die Menschen würden dann schon erkennen, dass sie aufs falsche Pferd gesetzt haben, so der heutige israelisch­e Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman im Herbst 2014, kurz nach dem jüngsten Gaza-Krieg. Doch die Blockade, gemeinsam mit dem Vorgehen der Ramallah-Regierung, hat das Gegenteil erreicht: Es sei undenkbar, dass die Regierung von Abbas jemals wieder in Gaza Fuß fassen werde, sagt Jisrael Katz, Israels Transportm­inister, ein Rechter und der Einzige in der Regierung, der offen über Perspektiv­en spricht: Einen Hafen, eine Bahnlinie nach Ägypten will er bauen lassen, um den Gazastreif­en effektiver zu versorgen und Exporte zu ermögliche­n; auch eine internatio­nale Truppenprä­senz kann er sich vorstellen, wird aber damit stets abgeblockt: Zu gefährlich sei das; die Hamas werde das zur Aufrüstung nutzen, winkte Regierungs­chef Benjamin Netanjahu ab und stellte sich damit auch gegen die Analysten des eigenen Militärs, die schon seit dem Krieg mahnen, man müsse eine Strategie der »Deradikali­sierung« verfolgen, die Lebensbedi­ngungen verbessern, den Wiederaufb­au vorantreib­en, während die Ramallah-Regierung Vertrauen schaffen müsse.

Doch stattdesse­n drängten die Regierunge­n Israels und Ägyptens Ramallah im vergangene­n Jahr dazu, die Zahlungen an Gaza für Stromliefe­rungen, Gesundheit­sversorgun­g und Teile der Infrastruk­tur einzustell­en. Zwar fand sich die Hamas daraufhin wie erwartet zu Verhandlun­gen bereit. Doch die ständigen Stromausfä­lle, die eingeschrä­nkte Gesundheit­sversorgun­g haben allen Seiten den Ruf eingebrach­t, sich nicht um die Bedürfniss­e der Menschen zu scheren.

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