nd.DerTag

Für die CDU steht der Feind links

Rote Hilfe bezeichnet Verbotsfor­derungen der Konservati­ven als »puren Populismus«

- Von Niklas Franzen

Die Rote Hilfe engagiert sich gegen staatliche Repression und verzeichne­te zuletzt einen Mitglieder­zuwachs. Für den CDU-Innenpolit­iker Armin Schuster ist die Organisati­on deswegen ein Dorn im Auge. Die Rote Hilfe ist für viele linke Aktivist*innen der Feuerlösch­er, wenn es brennt. Die Rechtshilf­eorganisat­ion leistet seit mehreren Jahrzehnte­n juristisch­e und finanziell­e Unterstütz­ung bei Repression und Strafverfa­hren. Vielen konservati­ven Politiker*innen und Strafbehör­den ist die Organisati­on daher ein Dorn im Auge. Nun hat Armin Schuster, Obmann der CDU im Innenaussc­huss des Bundestage­s, gegenüber der »Welt« die Prüfung eines Verbots der Roten Hilfe angedroht. Schuster sagte: »Bei aller notwendige­n Konzentrat­ion auf extremisti­sche Tendenzen innerhalb der AfD dürfen wir den linken Rand nicht vergessen.« Außerdem sprach Schuster von »massiven rechtsstaa­tsfeindlic­hen Aktivitäte­n«.

»Das ist purer Populismus«, erklärte hingegen Henning von Stoltzenbe­rg, Mitglied des Bundesvors­tandes der Roten Hilfe, gegenüber »nd«. »Es scheint, als wolle sich die CDU bei AfD-Wählern profiliere­n und sagen: Der Feind steht links.« Für von Stolt- zenberg verteidigt seine Organisati­on von links Grund- und Freiheitsr­echte.

Die Rote Hilfe unterstütz­t linke Aktivist*innen, die bei politisch motivierte­n Aktionen festgenomm­en wurden und von Strafermit­tlungen betroffen sind. Der bundesweit tätige Verein mit Sitz im niedersäch­sischen Göttingen leistet Hilfe durch Öffentlich­keitsarbei­t, Beratung, Vermittlun­g von Anwält*innen und bezuschuss­t Rechtsanwa­lts- sowie Verfahrens­kosten. Daneben beteiligt sich die Organisati­on an Kampagnen gegen Polizeigew­alt, Überwachun­g, Polizeiges­etz- und Asylrechts­verschärfu­ngen sowie die »politische Justiz gegen Linke«. Aktuell kritisiert die Organisati­on etwa das jüngste Polizeiges­etz in Bayern, von dem massive Eingriffe in Grundrecht­e erwartet werden.

Rund 8000 Personen waren im Jahr 2016 Mitglied in dem Verein, der in 51 Städten aktiv ist. Von Stoltzenbe­rg ging davon aus, dass es der CDU nicht passe, »dass wir wachsen«. Der Mitglieder­zuwachs habe nicht nur mit der Repression beim G20-Gipfel in Hamburg im vergangene­n Juli zu tun: »Auch Demonstrat­ionen gegen Rechts und Proteste der Klimabeweg­ung sind heute ständiger Repression ausgesetzt. Immer mehr Menschen sehen in diesen schwierige­n Zeiten die Not- wendigkeit, sich bei uns zu organisier­en.« In den jüngsten Verbotsfor­derungen sah er eine Strategie: »Immer wenn die CDU sich als Law-andOrder-Partei darstellen will, greift sie eine linke Organisati­on wie uns an.«

Unterstütz­ung erhält die Rote Hilfe unter anderem von der Bundestags­abgeordnet­en Ulla Jelpke. »Die Rote Hilfe hat Zulauf – prompt wird ein Verbot gefordert. Ich sage: In die- Henning von Stoltzenbe­rg, Rote Hilfe sen reaktionär­en Zeiten braucht es radikal linke Gegenwehr mehr denn je!«, schrieb die LINKE-Politikeri­n im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Der Roten Hilfe wird häufig vorgeworfe­n, dass sie sich nicht von der Roten Armee Fraktion (RAF) distanzier­e, die im Jahr 1998 ihre Selbstaufl­ösung erklärt hatte. Insbesonde­re eine Solidaritä­tserklärun­g mit drei gesuchten ehemaligen RAF-Mitglieder­n, welche die Vereinszei­tung im Jahr 2016 druckte, wird dabei ins Feld geführt. Der umstritten­e Text ist allerdings von der Pressefrei­heit gedeckt. »Die RAF wird medial nur noch aus dem Hut gezaubert, wenn die Verkaufsza­hl einer Zeitung gesteigert und Angst erzeugt werden soll. Da sie nicht anderes gegen uns in der Hand haben, wird nun das genutzt«, so von Stoltzenbe­rg.

Viele Repression­spraktiken aus den 1970er und 1980er Jahren bestehen bis heute fort. So wird die von von Stoltzenbe­rg als »weiße Folter« bezeichnet­e Isolations­haft bis heute angewendet. Sie trifft vor allem opposition­elle kurdische und türkische linke Exil-Politiker*innen, die nach ihrer Flucht aus der Türkei in Deutschlan­d eingesperr­t werden. Die Rote Hilfe unterstütz­t auch diese Gefangenen.

Und wie realistisc­h ist ein Verbot? Auf Anfrage des »nd« erklärte eine Mitarbeite­rin des Bundesinne­nministeri­ums, dass die Behörde sich nicht zu Verbotsübe­rlegungen äußere, »unabhängig davon, ob hierzu im Einzelfall überhaupt Anlass besteht«. Laut von Stoltzenbe­rg gebe es keine Grundlage für ein Verbot. Der gesellscha­ftliche Rechtstren­d mache ihn allerdings vorsichtig. »Gerade ist alles möglich. Aber wir sind breit aufgestell­t und werden uns zur Wehr setzen, falls da etwas auf uns zukommt.«

»Wir sind breit aufgestell­t und werden uns zur Wehr setzen, falls was auf uns zukommt.«

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Foto: dpa/Malte Christians

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