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Das kann dauern

Konferenz in Berlin: Große Koalition will die Energiewen­de nicht beschleuni­gen

- Von Susanne Schwarz

Auf einer Konferenz in Berlin stellte die Bundesregi­erung ihre Energiewen­depläne vor – ohne jegliche Aufbruchst­immung. Der Wirtschaft­sminister macht sich Sorgen wegen der Kosten. In den Hallen des Auswärtige­n Amts in Berlin wehte in den vergangene­n beiden Tagen der Wind von vor sechs Jahren: Auf einer internatio­nalen Energiewen­de-Konferenz, an der Minister und Staatssekr­etäre aus mehr als 30 Ländern sowie 2000 Vertreter aus Wirtschaft und Gesellscha­ft teilnahmen, hatte die neue Bundesregi­erung erstmals die Gelegenhei­t, ihre Pläne für die Energiewen­de auf großem Parkett zu präsentier­en – doch die Reden der drei beteiligte­n Minister zeugten nicht gerade von Aufbruch.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) griff beim »Berlin Energy Transition Dialogue« sein Leib-und-Magen-Thema aus seiner Zeit als Umweltmini­ster von 2012 bis 2013 auf: die Kosten der Energiewen­de. Er rechnet, so war seiner Rede zu entnehmen, mit dem baldigen Auslaufen der Ökostromfö­rderung, wie sie zurzeit das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) regelt. »Ich gehe davon aus, dass die erneuerbar­en Energien in absehbarer Zeit, also in den nächsten vier bis fünf Jahren, ihre Wettbewerb­sfähigkeit vollständi­g erreicht haben und dass wir dann imstande sind, erneuerbar­e Energien ohne zusätzlich­e Subvention­en zu finanziere­n«, so Altmaier.

Seine Positionen zur Energiewen­de hatten ihm zu seinen Zeiten als Umweltmini­ster den Ruf des Bremsers eingebrach­t. Gleich nach Amtsantrit­t kündigte er eine EEG-Reform an, nach der nicht nur die Solarenerg­ie, sondern auch Windkraft und Biomasse einen Ausbau-Deckel bekommen sollten. Zur Werbung für die von ihm gewünschte »Strompreis­bremse« sprach er von »Billionenk­osten«, die durch die Energiewen­de bis Ende der 2030er Jahre anfallen würden – eine Zahl, die etwa das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirts­chaft als deutlich zu hoch einschätzt­e.

Altmaiers aktuelle Äußerungen zu den Ökostrom-»Subvention­en« lassen auf eine ähnliche Stoßrichtu­ng schließen, denn schon der Begriff führt in die Irre: Schließlic­h werden die Mindestver­gütungen für Ökostrom, die früher staatlich festgelegt und nun größtentei­ls über Ausschreib­ungen ermittelt werden, von den Stromkunde­n über die EEG-Umlage bezahlt – nicht aus öffentlich­en Kassen wie bei einer Subvention. Vergleiche­n kann man das Fördersyst­em eher mit dem Mindestloh­n: Als der eingeführt wurde und die Kosten für einen Friseurbes­uch für Verbrauche­r stiegen – wer wäre auf die Idee gekommen, von einer Subvention zu sprechen?

Auch beim Kohleausst­ieg will Altmaier es langsam angehen lassen. Bis 2030 will der CDU-Politiker die klimaschäd­liche Kohleverst­romung in Deutschlan­d halbieren, wie er auf der Konferenz sagte. Viele Klimaschut­zorganisat­ionen, aber auch die Grünen und die Linksparte­i wünschen sich deutlich mehr Tempo. Sie wollen 2030 auf der Ziellinie stehen, Teile der Klimabeweg­ung noch früher. Altmaier räumte zwar ein, dass die Kohleverst­romung perspektiv­isch auslaufen werde, wie man das 2015 auf dem G7-Gipfel in Elmau versproche­n habe. Durch den Atomaussti­eg leide Deutschlan­d allerdings unter einer »Doppelbela­stung«. Die Energiewen­de befinde sich noch »in einer Pionierpha­se« und werde »nicht nur noch die nächsten zwei, drei Jahre dauern, sondern viel länger«.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) kündigte auf der Konferenz eine gemeinsame Kommission mit Norwegen und Saudi-Arabien an, die die geopolitis­chen Auswirkung­en der Energiewen­de untersuche­n und noch in dieser Woche mit ihrer Arbeit beginnen solle. »Erneuerbar­e Energien sind reichlich und überall vorhanden, das verändert auch die Machtkonst­ellation in den internatio­nalen Beziehunge­n.« Zudem will Maas nach eigener Aussage den Zusammenha­ng von Klima, Energie und Sicherheit auf die Agenda des UN-Sicherheit­srats setzen, wo Deutschlan­d sich gerade auf einen Platz als nichtständ­iges Mitglied bewirbt.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) stellte dem internatio­nalen Publikum am Mittwoch die Pläne der neuen Großen Koalition zu Klimaschut­z und Energiewen­de vor, wie sie sich im Koalitions­vertrag finden. Sie warb bei ihrer Rede für das geplante Klimaschut­zgesetz und bekräftigt­e die deutschen Klimaziele bis 2030 und 2050. Ideen, wie Deutschlan­d das gefährdete Ziel bis 2020 doch noch schaffen kann, kamen nicht zur Sprache. »Ein Umsteuern braucht Zeit«, sagte Schulze dazu nüchtern.

 ?? Foto: dpa/Kay Nietfeld ?? Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (l.) und Außenminis­ter Heiko Maas am Rande der Energiekon­ferenz im Auswärtige­n Amt
Foto: dpa/Kay Nietfeld Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (l.) und Außenminis­ter Heiko Maas am Rande der Energiekon­ferenz im Auswärtige­n Amt

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