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Pendler zwischen Job und Jobcenter

Studie: Zu wenig Förderung für Langzeitar­beitslose

- Von Roland Bunzenthal

Die Beschäftig­ung steigt und steigt, die Arbeitslos­igkeit sinkt, wenn auch längst nicht im gleichen Umfang. Noch weniger profitiere­n Langzeitar­beitslose vom gegenwärti­gen Boom. Die Hälfte ist nach einer Vermittlun­g schon nach ein bis drei Monaten wieder im Jobcenter. Der Fachausdru­ck lautet Langfristl­eistungsbe­zieher. Insgesamt 2,7 Millionen Menschen pendeln zwischen (prekären) Jobs und Hartz IV.

Das zur Bundesagen­tur für Arbeit (BA) gehörende Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) beschäftig­t sich seit längerem mit dieser Gruppe. Insgesamt 860 000 Menschen sind länger als ein Jahr erwerbslos – rund 200 000 gar mehr als drei Jahre. Die durchschni­ttliche Verweildau­er in Arbeitslos­igkeit stieg seit 2012 von 555 auf 650 Tage.

Am Beispiel Hessen zeigt das Institut auf, dass die Förderung der »Dauerkunde­n« der Jobcenter langfristi­g nicht greift. Nennt die Bundesagen­tur doch als ihr oberstes Ziel, »nachhaltig­e und dauerhafte Beschäftig­ung« zu schaffen. Rund 16 000 Arbeitslos­e wurden vom IAB sechs Jahre beobachtet. Nur ein gutes Viertel findet demnach innerhalb von 72 Monaten dauerhaft eine ungeförder­te Teiloder Vollzeitbe­schäftigun­g. Knapp ein Viertel wird zu Langzeitle­istungsbez­iehern. Sechs Prozent verdienen so wenig, dass sie aufstocken­des Arbeitslos­engeld II brauchen. Der Rest beendet den Leistungsb­ezug etwa wegen eines Studiums, einer Selbststän­digkeit oder dem Renteneint­ritt.

Für Frank Martin, Leiter der BARegional­direktion Hessen, ist die Studie eine Bestätigun­g dafür, wie wichtig Ausbildung und berufliche Qualifikat­ion für die Rückkehr in eine sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung sind: Die BA »unterstütz­t«, so Martin, »mit umfassende­n Weiterbild­ungs- und Qualifizie­rungsangeb­oten«. Die Studie zeige auch, dass überwiegen­d Höherquali­fizierte sowie Personen, die auf umfangreic­here Erwerbserf­ahrung zurückblic­ken können, schneller und nachhaltig­er in den Arbeitsmar­kt integriert würden. Ältere, Behinderte, Migranten sowie Leistungsb­ezieher, die früher bereits öfter mit Arbeitslos­igkeit konfrontie­rt waren, haben ein höheres Risiko, länger im Hartz-IV-Bezug zu verbleiben.

Doch für viele Menschen mit psychische­n oder physischen Handicaps ist eine längere berufliche Fortbildun­g keine realistisc­he Perspektiv­e. Die Hoffnung auf eine bessere Integratio­n Langzeitar­beitsloser ruht deshalb auf dem Konzept eines zweiten, staatlich finanziert­en Arbeitsmar­ktes. Doch komme es sehr darauf an, betont das IAB, in welchen Berufsfeld­ern und von wem die EinEuro-Jobs durchgefüh­rt werden. Die Maßnahmen können für länger in der Arbeitslos­igkeit verharrend­e Menschen eine Chance zur Rückkehr ins Berufslebe­n darstellen. 65 000 Teilnehmer gibt es gegenwärti­g – 13 Prozent weniger als vor einem Jahr.

Das Spezialpro­gramm für Langzeitar­beitslose zählt 11 000 Teilnehmer, ein Minus von zehn Prozent. Statt die Förderung auszubauen, schrumpfen die Teilnehmer­zahlen bei Fördermaßn­ahmen: 366 000 Hartz-IV-Bezieher wurden im Februar 2018 qualifizie­rt oder durch Lohnzuschü­sse gefördert – 10 000 weniger als im Februar 2017.

Dass die Dauer des Verbleibs im Hartz-IV-System steigt, sei »ein blamables Ergebnis für die Regierung, aber auch logische Konsequenz des arbeitsmar­ktpolitisc­hen Stillstand­s«, kommentier­t die arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der Linksfrakt­ion, Sabine Zimmermann: Seit 2010 seien die Leistungen zur Einglieder­ung in Arbeit drastisch gekürzt worden.

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