nd.DerTag

Kippa tragende Männer attackiert

Unbekannte­r prügelt in Prenzlauer Berg mit Gürtel auf Israeli ein / Staatsschu­tz ermittelt

- Von Jérôme Lombard

Es ist eine brutale Szene: Drei Unbekannte beschimpfe­n zwei Männer mit Kippa, danach prügelt einer der Täter mit einem Gürtel auf sein Opfer ein. Ein Video der Tat kursiert im Netz. Es ist ein sonniger Nachmittag. Der 21-Jährige Israeli Adam Armoush ist mit einem 24-Jährigen Begleiter am Helmholtzp­latz in Prenzlauer Berg unterwegs. Die beiden jungen Männer tragen eine Kippa. Eine Gruppe von drei Männern nimmt an der traditione­llen jüdischen Kopfbedeck­ung Anstoß. Nach heftigen Beschimpfu­ngen zieht einer aus der Gruppe plötzlich seinen Gürtel heraus und fängt an, auf Armoush einzuprüge­ln. Immer wieder schlägt er heftig zu. So ist es auf einem Video festgehalt­en, das Armoush im Netz veröffentl­icht hat.

Auf dem Film ist zu hören, wie der Täter mehrfach das Wort »Jehudi« ruft, was im Arabischen und Türkischen »Jude« bedeutet. Der Angreifer behauptet zudem, dass er halber Palästinen­ser sei. Nach mehrfachen Schlägen flüchten die Angreifer. Wohl auch, weil mehrere Passanten den Angriff beobachten und damit drohen, die Polizei zu rufen.

Nach Polizeiang­aben habe eines der Opfer noch versucht, die Gruppe auf ihrer Flucht zu verfolgen, wurde dann aber mit einer Glasflasch­e beworfen, die ihn jedoch nicht traf. Armoush filmt, wie der jugendlich­e Täter mit dem Gürtel auf ihn einschlägt. Das Video lädt er am späten Dienstagab­end in einem sozialen Netzwerk hoch. Dazu schreibt er: »Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in Berlin passieren kann.« Gegenüber der »Bild«-Zeitung erklärt Armoush am Mittwoch, dass er sich in Berlin nicht mehr sicher fühle. Polizeispr­echer Michael Gassen sagt am Mittwoch, dass die Polizei von dem Videomater­ial wisse. Der Staatsschu­tz ermittelt. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) verurteilt die Tat. »Antisemiti­smus gehört nicht zum Berlin, in dem wir leben wollen.« Er sei dankbar, dass jüdisches Leben in der Stadt wieder sichtbar sei.

Sigmount Königsberg, Antisemiti­smusbeauft­ragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zeigt sich angesichts der Brutalität der Tat schockiert. »Die Angreifer haben sich mit dieser antisemiti­schen Attacke außerhalb der Gesellscha­ft und unseres Rechtsstaa­ts gestellt«, sagt Königsberg dem »nd«. Der blanke Hass, den man in den Augen des Angreifers erkennen könne, mache ihn fas- sungslos. Königsberg appelliert an die muslimisch­e Gemeinscha­ft, gegen Antisemiti­smus in ihren Reihen vorzugehen. »Es darf keine Rechtferti­gung für Judenhass und Hetze gegen Andersgläu­bige geben.« Er habe sich mit den beiden Opfern des Angriffs in Verbindung gesetzt.

Mike Samuel Delberg, Repräsenta­nt der Jüdischen Gemeinde zu Ber- lin, fordert, die Täter mit der Härte des Gesetzes zu bestrafen. »Trotz anhaltende­r öffentlich­er Debatten scheinen die bisher angewandte­n Schritte nicht zu fruchten«, sagt Delberg. Der 26-Jährige fügt hinzu: »Wenn wir jetzt nicht endlich resolut gegen antisemiti­sche Angriffe durchgreif­en, schreiten wir in eine Zukunft, in der sich Juden in Deutschlan­d nicht mehr frei auf die Straßen trauen werden.«

Auch Maya Zehden, stellvertr­etende Vorsitzend­e der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft (DIG) Berlin-Brandenbur­g, spricht sich für juristisch­e Präzedenzf­älle aus. »Sollten die Angreifer keinen deutschen Pass haben, muss eine Ausweisung in Betracht gezogen werden.« Der Übergriff passiere in einer Zeit, in der der Antisemiti­smus in Deutschlan­d zunähme. »Insbesonde­re aus der Gruppe nahöstlich sozialisie­rter Menschen wird immer wieder Gewalt auf Juden reagiert«, sagt Zehden.

Bei den jüngsten Vorfällen von Mobbing durch muslimisch­e Schüler handele es sich nicht nur um Antisemiti­smus, sondern um den Anspruch von Deutungsho­heit gegenüber allen Muslimen und Nichtmusli­men. Zehden fordert eine offene Debatte über muslimisch­en Antisemiti­smus. »Eine falsch verstanden­e politische Korrekthei­t verhindert bisher den nötigen Druck auf die Community«, sagt Zehden.

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Quelle: screenshot facebook Das Video eines der Opfer des Angriffs zeigt einen Mann, der mit einem Gürtel zuschlägt.

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