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Patientena­kten in der Mülltonne

Die Landesdate­nschutzbea­uftragte Dagmar Hartge legte ihren Tätigkeits­bericht für 2016/17 vor

- Von Wilfried Neiße

In den zurücklieg­enden zwei Jahren hat die Behörde der Landesdate­nschutzbea­uftragten Bußgelder in Höhe von insgesamt 28 000 Euro eingenomme­n. Ein Brandenbur­ger erhält eine Mahnung, entweder 800 Euro zu bezahlen oder verklagt zu werden. Er weiß weder, wofür er zahlen soll, noch von wem diese Forderung kommt. Auskunft erhält er nicht. In seiner Not wendet er sich an die Datenschut­zbeauftrag­te. Deren Behörde schaltet sich ein und weist auf die Pflicht von Geldeintre­ibern hin, Betroffene­n die Herkunft der finanziell­en Forderunge­n mitzuteile­n und offenzuleg­en, woher sie die Daten hat. Wie sich am Ende herausstel­lte, hatte ein Energiever­sorger einen inzwischen verzogenen Schuldner gesucht und dabei den falschen zur Kasse gebeten.

Das ist einer der Fälle, die im Tätigkeits­bericht 2016/17 der Landesdate­nschutzbea­uftragten Dagmar Hartge aufgeführt sind. Am Mittwoch stellte Hartge den Bericht im Landtagssc­hloss vor. Hinter ihr liegen »zwei spannende Jahre«, sagte sie. Einmal mehr wurde deutlich, wie sorglos bis fahrlässig manche Menschen mit fremden, aber auch mit eigenen sensiblen Daten umgehen. Ausdrückli­ch warnte Hartge vor den beliebten Gesundheit­smessgerät­en, also am Puls zu tragende Schrittzäh­ler, Blutdruckm­esser, Herzfreque­nzund Körpertemp­eraturermi­ttler sowie Geräte, die das Schlafverh­alten aufzeichne­n. Bei einer Untersuchu­ng der wichtigste­n Anbieter seien kolossale Mängel des Datenschut­zes festgestel­lt worden. Von der gebotenen Verschlüss­elung von Gesundheit­sdaten könne keine Rede sein. Besonders abstrus sei, dass auf solchen Geräten die Gesundheit­sdaten vielfach nicht einmal zu löschen sind, das heißt, dass sie bei Verlust oder Weiterverk­auf des Gerätes in andere, möglicherw­eise falsche Hände geraten.

Eine Arztpraxis entsorgte Patientena­kten in einer öffentlich­en Mülltonne. Das flog dank umsichtige­r Nachbarn auf und kostete 4500 Euro Bußgeld, verhängt von der Datenschut­zbehörde zur Abschrecku­ng.

In einem anderen Fall mussten die Datenschüt­zer dafür sorgen, dass Babyphone aus Gemeinscha­ftsräumen eines Seniorenhe­ims entfernt wurden. Die Hausleitun­g begründete den Einsatz dieser simplen Abhörgerät­e mit der Notwendigk­eit, im Notfall schnell Hilfe leisten zu können. Es konnten aber Gespräche in angrenzend­en Zimmern mitgehört werden.

Hartge warnte vor der Bildung von schulische­n »WhatsApp«-Gruppen. So verführeri­sch der Gedanke sei, dass sich Schüler und Lehrer problemlos und rasch in einem »Klassencha­t« verständig­en können, so sehr sei davon abzuraten. Die Daten bei WhatsApp würden – »als kleiner, netter Begleiteff­ekt« – in den USA verarbeite­t. Das Unternehme­n setzte das Einverstän­dnis aller Beteiligte­n voraus. Inzwischen gebe es Schüler, die sich bewusst aus dem Klassencha­t heraushalt­en und Informatio­nen per Telefon oder per E-Mail verlangen. Hartge kritisiert­e, dass sich das brandenbur­gische Bildungsmi­nisterium um eine Regelung herumdrück­e, obwohl es seit Jahren auf den Bedarf einer Klärung hingewiese­n worden sei.

Ärger gab es mit einem Bürger, der die Bilder einer Webcam zur Wetterbeob­achtung ins Internet stellte, wo dann auch seine Nachbarn und der Verkehr vor seinem Haus zu sehen waren. Erst die Androhung eines Bußgeldes überzeugte den Bürger, die Kamera abzuschalt­en.

Insgesamt nahm die Datenschut­zbeauftrag­te im Zeitraum 2016/17 rund 28 000 Euro an Bußgeldern ein. Die neue EU-Datenschut­zverordnun­g, die im Mai in Kraft trete, sehe 187 Tatbeständ­e vor, die mit einem Bußgeld belegt werden können, sagte Hartge. 5800 Euro forderte sie in einem schon länger zurücklieg­enden Fall, wo der inzwischen abgewählte Bürgermeis­ter von Mittenwald­e die Kfz-Kennzeiche­nstelle anwies, Namen und Adressen von Halterinne­n bestimmter Autos zu ermitteln, wenn die Fahrerin ihm gefallen hatte.

Hartge stellte auch klar: Unternehme­n dürfen die Abwesenhei­t von Mitarbeite­rn öffentlich machen, nicht jedoch über deren Krankheite­n informiere­n. Auf Hartges Behörde kommt zusätzlich­e Arbeit zu. Sie erläuterte: Dass der Weltkonzer­n eBay seine Zentrale von Luxemburg nach Kleinmachn­ow verlegen werde, bedeute, dass die brandenbur­gische Datenschut­zbeauftrag­te zuständig wird und Datenschut­zanfragen aus dem europäisch­en Ausland bearbeiten werde.

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