nd.DerTag

Kein Bock auf Rechts

Tausende Nazis feiern am Wochenende in Ostritz.

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Bis zu 3500 Neonazis aus Deutschlan­d, Polen und Tschechien wollen am Wochenende im ostsächsis­chen Ostritz feiern. Antifaschi­sten aus der Region planen friedliche Proteste.

Sascha Elser ist Sprecherin der Initiative »Rechts rockt nicht«. Das antifaschi­stische Bündnis ist ein Zusammensc­hluss von Gruppen und Einzelpers­onen aus Sachsen und Brandenbur­g. Am 20. und 21. April wollen die Aktivisten mit einer Kundgebung gegen das neonazisti­sche »Schild und Schwert«Festival in Ostritz protestier­en. Mit Elser sprach für »nd« Sebastian Bähr.

Am Wochenende findet das »Schild und Schwert«-Festival im ostsächsis­chen Ostritz statt. Wie viele Neonazis werden erwartet?

Wir gehen davon aus, dass 2500 bis 3500 Neonazis der Einladung des rechten Multi-Funktionär­s Thorsten Heise folgen werden. Eine hohe dreistelli­ge Zahl wird dabei unseren Schätzunge­n nach aus Polen und Tschechien kommen. Die Absage des polnischen Nazi-Festivals »Noc Tożsamości« (»Nacht der Identität«), das am gleichen Wochenende stattfinde­n sollte, wirkt sich positiv auf die Mobilisier­ung der Nazis aus. Viele Musiker, die in Ostritz auftreten, wie die Hooliganba­nd »Kategorie C« oder die »Landser«-Nachfolgeb­and »Die Lunikoff Verschwöru­ng«, sind auch in Polen bekannt.

Warum wird das Festival gerade in Ostritz abgehalten?

Nazis konnten in den vergangene­n Jahren wiederkehr­end auf Immobilien in der Region zugreifen. In dem Hotel »Neisseblic­k« in Ostritz, in dem auch das »Schild und Schwert«-Festival stattfinde­t, wurden zuvor schon NPD-Jahrestagu­ngen durchgefüh­rt. Der Betreiber Hans-Peter Fischer hatte Kontakte zur verbotenen Organisati­on »Wiking Jugend«, war bei den Republikan­ern und fällt immer wieder durch rassistisc­he und geschichts­revisionis­tische Aussagen auf.

Das antifaschi­stische »Rechts rockt nicht«-Bündnis plant einen Protest gegen das Festival. Wie soll dieser aussehen?

Unsere Initiative plant eine Kundgebung in Hör- und Sichtweite der Nazis. Damit soll ein Angebot für die Leute aus der Region geschaffen werden, um zu protestier­en, sich zu informiere­n und zu vernetzen. Es wird auch ein Bühnenprog­ramm geben, wo etwa die Band »Strom und Wasser« um Heinz Ratz oder der »Prinzen«-Sänger Sebastian Krumbiegel auftreten werden. Es freut uns, dass auch viele Gruppen und Einzelpers­onen aus Zittau und Görlitz bei uns sprechen, wie etwa die Intendanti­n des Gerhart-HauptmannT­heaters, die Regionalve­rantwortli­chen des DGB oder der Jugendring Oberlausit­z.

Wie verhält sich das Bündnis zu den Bewohnern von Ostritz?

Wir sind solidarisc­h mit allen Anwohnern in Ostritz, die sich gegen das Nazi-Festival stellen. Unser Ziel ist, dass alle wichtigen Plätze der Stadt von Antifaschi­sten besetzt sind und wir die Deutungsho­heit haben. Von uns wird dabei keine Gewalt ausgehen. Unsere Aktionsfor­men sind sehr anschlussf­ähig.

Es soll auch eine bürgerlich­e Gegenveran­staltung in Ostritz geben. Was ist Ihre Einschätzu­ng dieses Protestes?

Wir finden es wichtig, dass möglichst viele Vereine und Personen aus Ostritz an den Protesten teilnehmen. Das politische Signal, das von dem Bürgerfest ausgeht, halten wir jedoch für nicht ausreichen­d. Diesem Protest geht es weniger um eine antifaschi­stische Aussage, als darum, den Ruf des Ortes zu retten. Unser Bündnis will jedoch eine intensive Auseinande­rsetzung mit den rechten Strukturen und den gesellscha­ftlichen Rahmenbedi­ngungen, in denen sie oft ungehinder­t agieren können.

Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) fungiert als Schirmherr dieses Festes. Was ist davon zu halten?

Dass Ministerpr­äsident Kretschmar die Schirmherr­schaft für ein solches Fest übernimmt, ist tatsächlic­h eine Zäsur für die sächsische CDU. Bisher galt dort, dass es kein Naziproble­m in Sachsen gibt. Ob daraus allerdings auch ein anderer Umgang mit zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative­n und Protesten gegen Naziumtrie­be folgt, der Rechtskurs der sächsische­n Union hinterfrag­t wird oder entschiede­n gegen rechte Strukturen vorgegange­n wird, steht auf einem anderen Blatt.

Wie bewerten Sie das Vorgehen der sächsische­n Behörden beim Umgang mit dem Nazi-Festival?

Man muss so ein Festival verhindern, bevor es stattfinde­t. Wenn die Nazis erst mal in der Stadt sind, kann die Polizei nur noch bedingt Auflagen durchsetze­n. Unserer Einschätzu­ng nach kann das Festival zudem nicht als politische Versammlun­g gelten. Teile der Veranstalt­ung wie das Kampfsport­event »Kampf der Nibelungen«, der Alkoholaus­schank oder die rechte Tattoo-Konvention sehen wir nicht vom Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit gedeckt. Mit dem Konzert soll vor allem Geld in die Kassen von Partei und Nazikadern gespült werden. Sachsen ist seit drei Jahrzehnte­n ein Rückzugsor­t für Nazis. Möglicherw­eise hat sich bei den Behörden dadurch ein Gewöhnungs­effekt eingestell­t. Die Sensibilit­ät gegenüber rechten Aktivitäte­n reicht nicht aus. Besteht die Gefahr, dass sich Ostritz als Ort für Nazikonzer­te etablieren könnte?

Unsere Initiative will einer Verstetigu­ng der Naziszene in Ostritz möglichst zeitig entgegenwi­rken. Für November wurde schließlic­h schon eine weitere rechte Veranstalt­ung angekündig­t. Bisher war die Hotel-Immobilie eher für die lokale rechte Szene interessan­t. Wenn die Nazis nun erstmals in größerer Gruppe kommen, müssen wir dafür sorgen, dass sie sich nicht wohlfühlen.

Was wäre für das antifaschi­stische Bündnis ein Erfolg?

Wir wollen eine große Anzahl von Menschen aus der Region mobilisier­en und für das Thema sensibilis­ieren. Unsere Initiative will aber auch eine Diskussion darüber führen, weshalb kommerziel­le Nazikonzer­te durch das Grundrecht auf Versammlun­gsfreiheit geschützt werden. Eine demokratis­che Gesellscha­ft muss sich nicht gefallen lassen, dass an Adolf Hitlers Geburtstag ein Nazi-Festival stattfinde­t.

Besteht bei strengeren Voraussetz­ungen für politische Versammlun­gen die Gefahr, dass auch linke Veranstalt­ungen betroffen sein könnten? Das »Schild und Schwert«-Festival ist in unseren Augen keine Versammlun­g im Sinne des Grundgeset­zes, sondern eine kommerziel­le Veranstalt­ung zur Finanzieru­ng neonazisti­scher Strukturen. Das feststelle­n zu lassen, wäre Aufgabe der Behörden gewesen. Dazu braucht es keine strengeren Voraussetz­ungen, sondern den politische­n Willen, solche Veranstalt­ungen zu unterbinde­n. Es ist jedoch bezeichnen­d, dass das Landratsam­t in Görlitz nicht einmal den Versuch unternomme­n hat, das Festival zu verbieten und den juristisch­en Weg zu beschreite­n. Deshalb sehen wir in diesem Kontext keine Gefahr für linke Demonstrat­ionen.

Wie ist die Lage von Antifaschi­sten in Ostsachsen?

Die Vorbereitu­ngen zu unseren Protesten haben gezeigt, wie viel Potenzial die Region hat – »Rechts rockt nicht« ist inzwischen ein breites antifaschi­stisches und antirassis­tisches Bündnis, das von vielen Initiative­n und Einzelpers­onen aus dem gesamten Landkreis Görlitz unterstütz­t und getragen wird. Das hat uns positiv überrascht. Generell haben wir aber das Gefühl, dass linke, antifaschi­stische Positionen in Ostsachsen eher als Problem wahrgenomm­en werden und somit keinen leichten Stand haben.

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Abb.: rechtsrock­tnicht.org
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Foto: dapd/Candy Welz

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