nd.DerTag

Fundamente in Trümmern

Stephan Fischer über Gedenken in Israel und Polen

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Sirenen heulen, die Silhouette der Großen Synagoge wird an ihren alten Standort projiziert – Warschau gedenkt des Aufstands im jüdischen Ghetto 1943. 70 Jahre, 70 Stunden – Israel feiert noch bis zum Wochenende die Staatsgrün­dung 1948. Beides ist innig miteinande­r verflochte­n, die Fundamente des Staates Israels liegen nicht nur, aber auch in der Trümmerwüs­te, die die Deutschen nach der Niederschl­agung des Aufstands vom Distrikt Muranow übrigließe­n.

Rund anderthalb Jahre später war ganz Warschau von den Deutschen dem Erdboden gleichgema­cht. Aber der Wille zur Selbstbeha­uptung und Selbstbefr­eiung, der sich im Warschauer Aufstand gegen die Besatzer ab August 1944 ausdrückt – auch das ein Fundament des modernen Polens.

Sowohl für Polen als auch Israel ist die jüngere, miteinande­r verwundene und verwundete Geschichte fundamenta­ler, wirkungsmä­chtiger scheinbar als in anderen Staaten. Da ist die Instrument­alisierung des Historisch­en für die aktuelle Politik zwangsläuf­ig zu erwarten. So laufen jetzt erste Klagen nach dem polnischen IPN-Gesetz, dem sogenannte­n Holocaust-Gesetz, ein. Polnische Nationalis­ten haben Anzeige gestellt, weil Polen als Ganzes für Nazi-Verbrechen verantwort­lich gemacht werden soll. Der Angezeigte? Israels Präsident Rivlin nach einem Besuch in Auschwitz-Birkenau.

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