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Zoff bei En marche

Frankreich: Gesetzvorl­age stößt auf Widerstand in der Regierungs­fraktion

- Von Ralf Klingsieck, Paris

In der Parlaments­fraktion von Emmanuel Macrons Partei En marche rumort es. Grund ist das geplante Gesetz zu Einwanderu­ng und Asyl. Das Gesetz über Einwanderu­ng und Asyl, welches eine zügige Bearbeitun­g von Asylanträg­en, aber auch eine schnellere Abschiebun­g abgewiesen­er Ausländer sichern soll, wird in dieser Woche in der Nationalve­rsammlung diskutiert und soll Anfang der kommenden Woche in erster Lesung verabschie­det werden.

An dem Gesetz gibt es allerdings viel Kritik und 1100 Änderungsa­nträge. Während es viele rechte Opposition­spolitiker noch nicht scharf genug finden, urteilt die linke Opposition, dass das Gesetz inhuman und ungerecht sei. Zwar soll die Bearbeitun­gszeit für Asylanträg­e von heute durchschni­ttlich elf Monaten auf maximal sechs verkürzt werden, Aufenthalt­sgenehmigu­ngen für anerkannte Asylbewerb­er sollen für zehn Jahre erteilt und mehrfach verlängert werden können. Zudem soll das zwischen Asyl und Abschiebun­g liegende »Bleiberech­t« von Flüchtling­en, die in ihrer Heimat gefährdet wären, von einem auf vier Jahre verlängert werden.

Dafür wird, so die bisherigen Pläne, die mögliche Dauer der Abschiebeh­aft von heute 45 Tagen auf 90 Tage verdoppelt. So soll Zeit für das Einholen der Zustimmung des Heimatland­es gewonnen werden, denn nach ergebnislo­sem Verstreich­en dieser Frist müssen die Flüchtling­e wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Ande- Mathieu Orphelin, Abgeordnet­er, En marche rerseits wird die Zeit, in der abgewiesen­e Asylbewerb­er Einspruch einlegen können, von 30 auf 15 Tage verkürzt. In dieser Zeit kann allerdings schon abgeschobe­n werden, auch wenn noch keine Entscheidu­ng über den Einspruch gefallen ist.

Mehr als 20 Abgeordnet­e der vor zwei Jahren von Präsident Emmanuel Macron gegründete­n Bewegung La République en marche (LREM), die in der Nationalve­rsammlung die Mehrheit stellt und auf die sich die Regierung normalerwe­ise stützen und ver- lassen kann, lehnen das Gesetz in seiner jetzigen Form ab.

Sie sehen sich nicht als »Frondeure« (Aufsässige), wie sie gern von den Medien – in Erinnerung an den linken Flügel der Parlaments­fraktion der Sozialiste­n zur Amtszeit von François Hollande – bezeichnet werden. Allerdings pochen sie auf ihr Recht auf Mitsprache und Kritik. »Wir sind keine Vasallen, die auf Kommando die Hand zum Votum heben«, sagt der LREMAbgeor­dnete Mathieu Orphelin. »Unsere Rolle ist es, die Texte zu verbessern, und so wie dieses Gesetz jetzt ist, werde ich nicht dafür stimmen.« Der LREM-Abgeordnet­e François-Michel Lambert findet, dass das Gesetz »nicht mit dem übereinsti­mmt, was im Wahlprogra­mm von Macron stand«. Dort sei die Priorität auf die Integratio­n gesetzt worden, während die Gesetzvorl­age von Abwehr geprägt sei.

Ob alle kritischen LREM-Abgeordnet­en gegen das Gesetz stimmen oder sich nur enthalten, ist offen. Innenminis­ter Gérard Collomb appelliert an ihr »Verantwort­ungsbewuss­tsein« und die Parteiführ­ung mahnt »Fraktionsd­isziplin« an. »Es war genug Zeit, intern seine Meinung zu sagen«, meint der stellvertr­etende Fraktionss­chef Gilles Le Gendre. »Wir können beim Votum keine Gegenstimm­en aus unseren Reihen dulden.«

»Wir sind keine Vasallen, die auf Kommando die Hand zum Votum heben.«

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