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Hauptkredi­tgeber China

Der IWF sorgt sich um die Finanzstab­ilität armer Länder, die an der »neuen Seidenstra­ße« liegen

- Von Hermannus Pfeiffer

Auf der Frühjahrst­agung von IWF und Weltbank dreht sich vieles um die Verbindlic­hkeiten von Staaten und Wirtschaft. Auch China hinterläss­t vielerorts neue Bauten – und hohe Schulden.

Sie tickt in New York City, die »Nationale Schuldenuh­r« der Vereinigte­n Staaten. Mehr als vier Billionen Dollar zeigt sie derzeit an. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) und die Weltbank haben die Uhr in dieser Woche zum Leitmotiv für ihre Frühjahrst­agung gewählt, die am Sonntag in Washington zu Ende geht. In den vergangene­n drei Dekaden haben viele Länder versucht, durch Fiskalrege­ln ihre Schuldenpr­obleme in den Griff zu kriegen. Ohne rechten Erfolg, findet der IWF. Eine neue Analyse von mehr als 90 Staaten kommt zu dem Ergebnis, dass die Regeln »zu komplex, zu rigide oder kaum durchzuset­zen sind«. Als Beispiel wird die EU genannt, die die jährliche Neuverschu­ldung auf drei Prozent der Wirtschaft­sleistung festgeschr­ieben hat.

Die Schuldenla­st der Welt nahm seit 1997 von rund 70 Billionen auf 230 Billionen Dollar Ende 2017 zu. Die meisten Verbindlic­hkeiten weisen Unternehme­n auf, danach folgen Staaten, Banken und Private. Nach Berechnung­en des Institute of Internatio­nal Finance – sie sind aktueller und umfassende­r als die des IWF – entspreche­n alle Schulden mehr als dem Dreifachen der globalen Wirtschaft­sleistung. Allerdings bremst die günstige Konjunktur­entwicklun­g das Schuldenwa­chstum ein wenig. Für die großen Volkswirts­chaften hat der IWF seine Prognose vom Herbst jetzt noch einmal nach oben korrigiert: Für die Weltwirtsc­haft erwartet die UN-Finanzinst­itution für dieses und das kommende Jahr jeweils ein recht kräftiges Wachstum von 3,9 Prozent.

Doch die Schuldenuh­r tickt weiter, auch außerhalb von New York. Die Direktorin des IWF, Christine Lagarde, legte sich in dieser Frage mit Peking an. Während ihrer China-Reise vergangene Woche warnte die Französin davor, den ohnehin vergleichs­weise hoch verschulde­ten armen Entwicklun­gsländern mit dem Seidenstra­ßenprojekt weitere Lasten aufzubürde­n. Chinas Präsident Xi Jinping will mit der Initiative »One Belt, One Road« in vielen Staaten Hä- fen, Zugstrecke­n, Straßen, Flugplätze, Kraftwerke, Raffinerie­n und Freihandel­szonen errichten. Mehr als 100 Länder soll die »neue Seidenstra­ße« verbinden. Ermöglicht werden soll das mit zinsgünsti­gen Krediten der staatliche­n chinesisch­en Förderbank­en. Der weltgrößte Bergbaukon­zern BHP Billiton – Rohstoffun­ternehmen gehören zu den Profiteure­n des mit dem Infrastruk­turplan verbundene­n Baubooms – hat eine Datenbank aufgebaut, die schon über 2000 Projekte an der Seidenstra­ße umfasst.

China allein will jedes Jahr umgerechne­t 150 Milliarden Dollar in die ausländisc­he Infrastruk­tur investiere­n. Hieraus könnte für die Volksrepub­lik ein Problem entstehen, sollten die geplanten Projekte scheitern. Denn dann könnten Chinas Staatsbank­en auf faulen Krediten in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar sitzen bleiben. Schon jetzt gilt auch China, dessen Schulden mit dem rasanten Wirtschaft­swachstum ebenfalls rasant stiegen, dem IWF als Risiko für die Finanzstab­ilität.

Auch die wachsenden Schulden der Schwellen- und Entwicklun­gslän- der beunruhige­n den IWF. Allein Pakistan wurden von China bis zu 100 Milliarden Dollar für Seidenstra­ßenprojekt­e versproche­n – angesichts eines BIP von rund 280 Milliarden eine große Entwicklun­gschance, aber auch ein hohes finanziell­es Risiko. Solche Bedenken werden beispielsw­eise auch zu Laos, Malaysia und Sri Lanka geäußert. Der Inselstaat mit seinen 20 Millionen Einwohnern schuldet Chinas Konzernen sechs, nach anderen Quellen acht Milliarden Dollar. Um seine Schuldenla­st zu drücken, übergab das arme Land den gerade fertiggest­ellten Hafen von Hambantota in einem Pachtvertr­ag für 99 Jahre an China.

Auch für Afrika befürchtet Lagarde eine Überschuld­ung. In Djibouti hat China seinen ersten Flottenstü­tzpunkt eröffnet, in Addis Abeba wird der Flughafen ausgebaut, in Tansania soll der größte Containerh­afen Ostafrikas entstehen. In der Region soll China mit seinen Krediten bereits mit der Weltbank gleichgezo­gen haben.

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Foto: AFP/Brendan Smialowski IWF-Direktorin Christine Lagarde bei einem Forum über Digitalisi­erung während der Frühjahrst­agung

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