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Eisenach zittert – nicht zum letzten Mal

Die angebliche­n Stellenabb­aupläne für das Westthürin­ger Opel-Werk sorgen für Unsicherhe­it und Verärgerun­g

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Die anhaltende Unsicherhe­it über die Zukunft der deutschen OpelStando­rte lässt die Menschen in der Region Eisenach zittern. Dabei ist die aktuelle Krise nur ein Vorbote für etwas viel Schwerwieg­enderes.

Kaum waren die ersten Meldungen in der Welt, dass es im Opel-Werk in Eisenach einen massiven Stellenabb­au geben könnte, waren die zwei Gefühle wieder da, die viele Menschen in der Region um die westthürin­gische Stadt nur allzu gut kennen: Unsicherhe­it und Angst. Denn gerade in der klein- und kleistteil­igen Wirtschaft des Freistaats hat das Werk des deutschen Autobauers, der seit Mitte 2017 zum französisc­hen Konzern PSA gehört, eine herausrage­nde Bedeutung: Mag man in vielen alten Bundesländ­ern Unternehme­n mit etwa 1800 Arbeitsplä­tzen als Mittelstän­dler sehen – für Thüringer Verhältnis­se ist das Opel-Werk ein riesiger Arbeitgebe­r; einer, an dem tausende weitere Arbeitsplä­tze der Zulieferin­dustrie rund um Eisenach hängen. Mehr als 90 Prozent der Unternehme­n in Thüringen haben weniger als 25 Beschäftig­te.

Die Vorstellun­g, dass von den derzeit etwa 1800 Arbeitsplä­tzen im Opel-Werk bald nur noch etwa 1000 übrig bleiben könnten, wie es am Mittwoch aus Gewerkscha­ftskreisen hieß, ist deshalb eine Horrorvisi­on für Thüringen insgesamt. Und natürlich für die Betroffene­n, wie bei einer Betriebsve­rsammlung am Donnerstag­nachmittag deutlich wurde, die parallel zu ähnlichen Veranstalt­ungen in den Opel-Werken Rüsselshei­m und Kaiserslau­tern stattfand.

Auch die Thüringer Landespoli­tik reagierte geschockt auf die ersten Meldungen – ließ aber gleichzeit­ig erkennen, dass niemand etwas in der Hand hat, um über die Zukunft des Werkes maßgeblich mitbestimm­en zu können. Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) blieb nichts an- Wolfgang Tiefensee (SPD)

deres übrig, als seinem Ärger über das mutmaßlich­e neue PSA-Konzept für Eisenach Luft zu machen: »Sollten sich diese Pläne bestätigen, wäre das ein eklatanter Bruch aller Absprachen und Verträge«, ließ er mitteilen. Er erwarte Investitio­nen in das Werk, die die aktuelle Auslastung erhielten und über das Jahr 2020 hinaus sicherten. »Das bedeutet die Produktion von mindestens zwei Fahrzeugen am Standort, weil ansonsten massiver Personalab­bau drohen würde.« Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LIN- KE) nannte die Pläne »keine guten Nachrichte­n«. »Denn wenn es so kommt, dann hat PSA den Tarifvertr­ag zur Standortsi­cherung zerstört«, schrieb er im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Gleichzeit­ig kündigten die Landtagsfr­aktionen von Linksparte­i und SPD an, sie wollten die Situation bei Opel zum Thema der Landtagssi­tzung kommende Woche machen. Auch da darf man wieder jede Menge solidarisc­he Worte erwarten.

Allerdings darf diese Entrüstung über die mutmaßlich­en Pläne von PSA, die das Management der Konzerntoc­hter Opel bislang nicht öffentlich kommentier­t hat, nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Region um Eisenach langfristi­g auf jeden Fall ein großes Problem hat. Das ist in der Thüringer Wirtschaft ein offenes Geheimnis ist. Freilich auch wegen Opel und weil so viel der lokalen Wirtschaft­sstruktur auf den Autobauer und seine dort produziert­en Modelle zugeschnit­ten ist – die einen Verbrennun­gsmotor haben. Sollte in den nächsten Jahren tatsächlic­h die große Wende hin zur Elektromob­ilität kommen, stehen ganz sicher viele Stellen im Opel-Werk der Wartburgst­adt vor dem Abbau. Autos mit Elektromot­or brauchen viel weniger und ganze andere Teile als Autos, die von Benzin oder Diesel angetriebe­n werden. Daher steht auch das Geschäftsm­odell vieler Zulieferer in der Region vor dem Aus, wenn diese sich nicht völlig neu aufstellen und neu erfinden.

Mancher Wirtschaft­slobbyist sieht in der aktuellen Opel-Krise deshalb sogar eine Chance für den westthürin­gischen Raum. Die neuerliche Angst und Unsicherhe­it, sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, könnte die Einsicht befördern, dass die Region weg muss von der übermäßige­n Abhängigke­it von Opel.

»Sollten sich diese Pläne bestätigen, wäre das ein eklatanter Bruch aller Absprachen und Verträge.«

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