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Protest gegen Preis für Jeff Bezos

Amazon-Aktion in Berlin und europaweit­e Streiks geplant

- Von Peter Nowak und Hans-Gerd Öfinger

Der seit Jahren anhaltende Protest gegen Arbeitsbed­ingungen, Geschäftsp­raktiken und Gebaren des weltumspan­nenden OnlineVers­andhändler­s Amazon wird am kommenden Dienstag mitten in der Bundeshaup­tstadt zum Ausdruck kommen. An diesem Tag nämlich möchte der Axel-Springer-Verlag Amazon-Chef Jeff Bezos persönlich für sein »visionäres Geschäftsm­odell« und sein »Talent für Innovation­en« mit der Verleihung des »Axel Springer Award« ehren. Der Internatio­nale Gewerkscha­ftsbund (IGB) hatte Bezos, der neben Microsoft-Gründer Bill Gates als reichster Mann der Erde gilt, im Jahr 2014 zum »schlimmste­n Chef des Planeten« gekürt.

»Kein Award für Ausbeutung – wir stellen uns quer!«, so das Motto des linken Bündnisses »Make Amazon Pay (MAP). Beschäftig­te, Gewerkscha­fter und Amazon-Kritiker betrachten die Preisverle­ihung an Bezos als zynische Provokatio­n und wollen die Gelegenhei­t nutzen, um ihren Unmut vor Ort auszudrück­en. Allein aus dem hessischen Bad Hersfeld, wo vor fünf Jahren der erste Streik für einen Tarifvertr­ag für den Einzelund Versandhan­del stattfand, werden am Vormittag zwei Busse nach Berlin aufbrechen. Der Großteil der Mitreisend­en kommt direkt aus der Belegschaf­t.

Das »visionäre Geschäftsm­odell« von Amazon, von dem der Axel-Springer-Verlag schwärmt, stützt sich nach Aussagen der Kritiker vor allem auf die systematis­che Ausbeutung von Arbeitskrä­ften. »Keine Tarifvertr­äge, Lohndruck und prekäre Jobs, Arbeitshet­ze und permanente Überwachun­g – das ist nicht unsere Zukunft«, erklärt MAP-Sprecherin Maria Reschke gegenüber »nd«.

Bei den Vorbereitu­ngstreffen für die Proteste am 24. April waren auch Gewerkscha­fterInnen aus Polen anwesend. Diese transnatio­nale Kooperatio­n, die bei einem global agierenden Konzern wie Amazon notwendig ist, um einen Arbeitskam­pf zu gewinnen, ist auch ein Verdienst der außerbetri­eblichen Amazon-Solidaritä­t. Ein Großteil der aktiven Beschäftig­ten im Amazon-Werk Poznań ist bei der anarchosyn­dikalistis­chen Workers Initiative (IP) organisier­t. Auch in Polen ist die Kampfberei­tschaft gewachsen. Neben der IP will sich die Gewerkscha­ft Solidarnoc an den Protesten gegen die Preisverle­ihung beteiligen. Sie ist der polnische Bündnispar­tner der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di und hat im zweiten polnischen Amazon-Werk in Wroclaw einigen Einfluss. Auch die LINKE-Bundestags­abgeordnet­e Sabine Leidig unterstütz­t den Protest. Das MAP-Bündnis will am 24. April vom Kreuzberge­r Oranienpla­tz zum nahe gelegenen Springer-Hochhaus ziehen. Dort will auch das Netzwerk Attac vor Ort sein und die Steuerverm­eidungsstr­ategie des Konzerns anprangern.

Gewerkscha­ften planen weitere Aktionen. Dabei könnte es erstmals zu europaweit­en Streiks kommen. Bei einem Treffen von Betriebsrä­ten aus Europa und Nordamerik­a am Donnerstag und Freitag in Rom wollten sie Kooperatio­nsmöglichk­eiten ausloten. Dabei stehe unter anderem auf der Tagesordnu­ng, »inwiefern wir internatio­nal synchronis­ierte Streiks an den umsatzstär­ksten Tagen realisiere­n können«, sagte der für Amazon zuständige Vertreter der Gewerkscha­ft ver.di, Thomas Voß. In einem ersten Schritt sei ein gemeinscha­ftlicher Streik mit Beschäftig­ten aus Italien und Spanien möglich, sagte Voß. »Gewerkscha­ften können im nationalen Rahmen nichts gegen Global Player wie Amazon ausrichten.«

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