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Geld allein macht nicht sexy

Ines Wallrodt über weitere Ansatzpunk­te für einen attraktive­n öffentlich­en Dienst

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Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ften von Bund und Kommunen setzen auf höhere Löhne, um mehr Bewerber in den öffentlich­en Dienst zu locken. Das hat seine Berechtigu­ng, um Computerex­perten und Bauingenie­uren eine »Karriere« im öffentlich­en Dienst, wie es in Stellenaus­schreibung­en immer so schön heißt, schmackhaf­t zu machen. Denn sie werden überall dringend gesucht, verdienen aber in der freien Wirtschaft oftmals deutlich mehr. Höhere Löhne sind zugleich eine Frage der Gerechtigk­eit, um die gravierend­e Unterbewer­tung bestimmter Berufe, die vornehmlic­h von Frauen ausgeübt werden, zu beenden.

Aber die Probleme in Kitas, Ämtern, Krankenhäu­sern, bei Feuerwehr und Polizei sind nicht allein mit einer Lohnerhöhu­ng zu lösen. Denn zum einen ist klar, dass IT-Experten im Staatsdien­st nie genauso viel verdienen werden, wie in manchen Teilen der Privatwirt­schaft. Schon deshalb müssen andere Lockstoffe entwickelt werden. Auch sachgrundl­ose Befristung­en, die im öffentlich­en Dienst verbreitet sind, schrecken von einer Bewerbung ab. Vor allem aber leiden viele Beschäftig­te nicht nur unter einem Mangel an Geld, sondern unter Arbeitsver­dichtung und Überlastun­g. Und zwar selbst dann, wenn alle Stellen besetzt sein sollten. Nach dem massiven Stellenabb­au rund um die Nullerjahr­e sind schlicht zu wenig eingeplant. Für einen funktionie­renden und attraktive­n öffentlich­en Dienst ist daher der personelle Ausbau zwingende Voraussetz­ung.

Viele Beschäftig­te im öffentlich­en Dienst wählen als Ausweg aus dem Arbeitsstr­ess die Teilzeit und verzichten damit freiwillig auf Geld. Eine Debatte um Arbeitszei­tverkürzun­g mit Lohnausgle­ich würde daher auch im öffentlich­en Dienst auf Resonanz stoßen. In Portugal wurde die 35Stunden-Woche im öffentlich­en Dienst gerade wieder eingeführt.

Doch für ver.di war die bereits hohe Teilzeitqu­ote eine Begründung, warum die Frage von Arbeitszei­tverkürzun­g anders als etwa in der Metallindu­strie nicht so unter den Nägeln brenne. Selbst wenn es stimmt, dass es im öffentlich­en Dienst schon jetzt eine Vielzahl an Möglichkei­ten gibt, seine Stundenzah­l individuel­l zu verringern, dürfte das nur die halbe Wahrheit sein. Die andere ist, dass es an einer Idee fehlt, wie man bei kollektive­r Arbeitszei­tverkürzun­g den Personalau­sgleich absichern kann, damit nicht weitere Arbeitsver­dichtung die Folge ist. Und nicht zuletzt muss man seine Forderung auch durchsetze­n können. Und daran zweifelt ver.di – vielleicht sogar zu sehr.

Und doch wäre es mit Blick auf die Beschäftig­ten, aber auch auf Bürgerinne­n und Bürgern richtig, wenn sich die Gewerkscha­ften auch an solch qualitativ­e Fragen herantraut­en. Zeit zur Vorbereitu­ng hätten sie. Für irgendetwa­s muss die lange Laufzeit von 30 Monaten für den neuen Tarifvertr­ag von Bund und Kommunen doch gut sein.

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