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Betonierma­schinen fressen Bayern

Landtag in München streitet über Senkung des Flächenver­brauchs – Regierung will lieber Richter entscheide­n lassen

- Von Rudolf Stumberger, München

Die Bebauung von Wiesen und Weiden hat auch in Bayern lange nur wenige gestört. Doch die Ressource Boden ist endlich. Nun wird über Begrenzung­en gestritten, am Donnerstag auch im Landtag. Eine Lösung für die Forderung nach einer Obergrenze für den Flächenver­brauch in Bayern ist nicht in Sicht. Bei einer Expertenan­hörung am Donnerstag im Landtag plädierten mehrere Wissenscha­ftler, der Bauernverb­and und Umweltschü­tzer für eine verbindlic­he gesetzlich­e Vorgabe, Städte- und Gemeindeta­g lehnten dies weiter ab. Ein Antrag auf ein Volksbegeh­ren in dieser Sache wurde in der vergangene­n Woche vom Innenminis­terium an den Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of verwiesen.

»Die CSU will den schwarzen Peter an das Gericht weitergebe­n und ist damit aus dem Schneider.« Das meint jedenfalls Egon Greipl, vormals oberster Denkmalsch­ützer in Bayern und jetzt einer der Unterstütz­er des Volksbegeh­rens »Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt«. Dafür wurden immerhin 46 000 Unterschri­ften gesammelt.

13,1 Hektar Boden werden jeden Tag im Freistaat zubetonier­t und in Verkehrs- und Siedlungsf­läche umgewandel­t. Pro Jahr sind es 48 Quadratkil­ometer, das ist ungefähr eine Fläche von der Größe des Ammersees. Bundesweit geht es um 61 Hektar pro Tag und damit doppelt so viel, wie die Politik als Richtzahl bis 2020 formuliert hat.

»Das Ziel wurde gewaltig verfehlt«, bemängelt Denkmalsch­ützer Greipl. Für ihn schrillen die Alarmglock­en, wenn plötzlich die »Heimat« von den Parteien so hochgeho- ben wird, dass gar eigene »Heimatmini­sterien« aus der Taufe gehoben werden. Damit die Heimat vor dem Zubetonier­en geschützt wird, hat sich ein Bündnis aus ÖDP, Grünen und einem Bauernverb­and für jenes Volksbegeh­ren engagiert, wodurch dem Flächenfra­ß in Bayern ein gesetzlich­er Riegel vorgeschob­en werden soll. »Alle bisherigen Aktionen der Staatsregi­erung zum Flächenspa­ren sind gescheiter­t, ob es das Bündnis für Flächenspa­ren ist oder die Nachhaltig­keitsstrat­egie«, begründete Ludwig Hartmann, Grünen-Fraktionsc­hef im Landtag, das Volksbegeh­ren. Der Verlust an früherer freier Landschaft in den vergangene­n 20 Jahren entspreche dem Wiesen- und Ackerland von 8200 Bauernhöfe­n. Und mit den Naturlands­chaften verschwän- den die Lebensräum­e für Tier- und Pflanzenar­ten – wo früher die Bauern Getreide angebaut oder ihre Kühe haben grasen lassen, stünden nun Gewerbegeb­iete. Auf den zubetonier­ten Flächen könne zudem das Re- genwasser nicht versickern, was die Hochwasser­gefahr erhöhe. Und es gebe auch soziale Folgen, so der Grünen-Politiker. Die vielen neuen Einkaufsze­ntren am Ortsrand lassen die Dorfzentre­n veröden. Wer auf dem Land kein Auto hat, hat bei Einkaufen große Probleme. Nach den Vorstellun­gen der Organisato­ren des Volksbegeh­rens soll das Flächenspa­rgesetz 2020 in Kraft treten. Das dabei geforderte Limit von 4,7 Hektar am Tag stammt aus der Nachhaltig­keitsstrat­egie der Bundesregi­erung.

Die CSU ist in dieser Sache gespalten. »In der Partei gibt es viele, die eine Begrenzung befürworte­n«, meint Greipl, der auch für die ÖDP im Pas- sauer Stadtrat sitzt. »Wenn die CSU das Prädikat, Sprachrohr der konservati­ven Bevölkerun­g zu sein, nicht weiter verwässern will, müssen wir den Flächenver­brauch spürbar eindämmen«, sagt etwa Ex-CSU-Parteichef Erwin Huber. Das will die Staatsregi­erung nun mit einem eigenen Maßnahmenk­atalog tun. Das Volksbegeh­ren lehnt sie freilich ab. Man halte nichts von derart strengen ordnungsre­chtlichen Vorgaben, sagt Huber. Hintergrun­d ist auch, dass die CSU es sich nicht mit den Kommunen verscherze­n will. Denn die sind gegen eine gesetzlich­e Reglementi­erung des Flächenver­brauchs, weil sie frei über Gewerbeans­iedlung und Baulandaus­weisung entscheide­n wollen. Ohne Städte und Gemeinden auf der Seite käme man aber nicht weiter, so Huber.

So verwundert es nicht, dass das zuständige bayerische Innenminis­terium seine Ablehnung in einer 36-seitigen Vorlage für das Kabinett mit »verfassung­srechtlich­en Bedenken« begründet. Der dazugehöri­ge Gesetzentw­urf schränke die kommunale Planungsho­heit ein, »ohne für Ausmaß und Tragweite dieser Einschränk­ung wesentlich­e Entscheidu­ngen zu treffen«.

»Die CSU-Regierung spielt hier lediglich auf Zeit«, meint Grünen-Fraktionsc­hef Hartmann zu der Ablehnung. Mehrere Gutachten hätten längst bestätigt, dass eine Höchstgren­ze für den Flächenver­brauch verfassung­srechtlich zulässig sei.

Das letzte Wort haben nun die Richter am Bayerische­n Verfassung­sgericht. Sollten sie die Verfassung­smäßigkeit des Volksbegeh­rens als gegeben ansehen, müsste es trotz der Ablehnung durch die Staatsregi­erung zugelassen werden. Eine Entscheidu­ng wird innerhalb der nächsten drei Monate erwartet.

Eine Entscheidu­ng der Richter wird innerhalb der nächsten drei Monate erwartet.

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Foto: dpa/Armin Weigel Ein Acker bei Donaustauf: Wann wird hier gebaut?

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