Egon Krenz zu China
18. Oktober 2017. In Bejing beginnt der XIX. Parteitag der chinesischen Kommunisten. Seit einer Woche erlebe ich hier als Gast der Akademie für Gesellschaftswissenschaften, wie gespannt die Chinesinnen und Chinesen dieses für sie wichtige Ereignis erwarten. Leute, die ich treffe, sind zuversichtlich. Sie sind neugierig auf Kommendes. Sie wirken gelöst und ruhig. Ich spüre eine Aufbruchstimmung. Das Land ist in Erwartung. Es hat sein Festkleid angelegt: rote Fahnen mit Hammer und Sichel.
Als ich an diesem Morgen aus dem Hotelfenster schaue, bin ich enttäuscht. Schade, denke ich, es regnet. Nun haben bürgerliche Medien ihren Einstieg zum Parteitag: das Wetter. Die Korrespondenten enttäuschen mich nicht. Der Mann von der ARD meldet nach Deutschland: »Das hatte sich Chinas politische Führung anders vorgestellt. Regen und Smog an diesem Morgen in Bejing. Dabei tut man vor wichtigen Großveranstaltungen immer alles für saubere Luft und blauen Himmel. Fabriken haben extra ihre Produktion gedrosselt, Baustellen wurden vorübergehend stillgelegt – dieses Mal«, so der Fernsehjournalist abschließend irgendwie zufrieden, »ohne Erfolg.«
Nebel und Smog sind für Bejing durchaus ein Problem. Glücklicherweise ein immer geringeres. Als ich vor vier Jahren hier war, ging man noch von 58 Tagen im Jahr mit starker Luftverschmutzung aus. Jetzt sind es nur noch 23 Tage ... Anders als das Wetter sind die politischen Verhältnisse in China klar und stabil. Den von den USA und ihren Verbündeten erhofften »Arabischen Frühling« im Reich der Mitte wird es nicht geben, ein Regime-Wechsel hat keine Chance. Obwohl die Volksrepublik China seit 2016 Deutschlands Handelspartner Nummer 1 ist, bleibt das in der Bundesrepublik gezeichnete Chinabild weit ab von der Realität. Antikommunismus ist eben ein beharrlich klebendes Pech. Deshalb auch die entlarvende Angst vor dem chinesischen Angebot einer internationalen Kooperation in Gestalt der Neuen Seidenstraße. Sie könnte eine Alternative zum gegenwärtig dominierenden Modell der neoliberalen Globalisierung sein. Aber gleichberechtigte Beziehungen erscheinen im Kalkül der neoliberalen als sozialistisch vergiftet und gehören nicht auf ihre Agenda. Was sie an China vor allem stört, ist die Kommunistische Partei. Ein China ohne diese wäre ihnen am liebsten.
Aus: Egon Krenz, »China, wie ich es sehe« (Edition Ost, 155 S., br., 12,99 €).