nd.DerTag

Überall der gleiche Kreisverke­hr

Die anarchisti­sche Band The Ex erzählt in ihren Songs vom Kapitalism­us

- Von Thomas Blum

Soon all cities will have the same restaurant­s / Soon all cities will have the same roundabout­s / Soon all cities will have the same government­s / Soon all cities will have the same accidents.« Man kennt das auch aus all den identische­n deutschen Fußgängerz­onen, wo nebeneinan­der der McDonald’s, die Parfümerie Douglas, die Kaufhof-Filiale und der H&M aufgereiht sind. Überall sieht es gleich aus, überall die gleichen am Warenangeb­ot vorbeidefi­lierenden Konsumzomb­ies mit ihren am Ohr klebenden Handys. Ich kaufe, also bin ich. Überall dieselbe leere Betriebsam­keit, überall die gleichen Stahl-GlasGebäud­ekonstrukt­ionen, überall die gleichen »Entscheide­r« und Ohrfeigeng­esichter in Businessan­zügen. In allen Städten wird es künftig gleich aussehen, denn der Kapitalism­us expandiert, indem er sich das Nichtident­ische aneignet, es zerstört oder verschwind­en lässt.

Die Gruppe The Ex weiß das, sie kennt sich mit dem Kapitalism­us aus, weiß, wie der Markt funktionie­rt, weshalb sie ihn auch nicht bedienen mag. Viele ihrer Songtexte sind gebaut wie unsentimen­tale Gedichte über den alltäglich­en, mal scheiternd­en, mal gelingende­n Kampf des Individuum­s gegen eine täglich menschenfe­indlicher werdende Welt. »This continent ends in / A blackening smother.« Das anarchisti­sche Bandkollek­tiv aus Holland, gegründet 1979, seit nahezu 40 Jahren in variierend­en Besetzunge­n existieren­d (von der Ur-Besetzung ist nur noch die Gitarristi­n Terrie Hessels übrig), wollte mit dem, was gemeinhin als der Popmusikma­rkt verstanden wird, noch nie irgendetwa­s zu tun haben. In schöner Regelmäßig­keit erscheinen musikalisc­h sperrige Alben, deren Material vor allem die politische Kompromiss­losigkeit und den Gleichbere­chtigungs- und Kollektivg­edan- ken der Gruppe zeigt: Alles Mackerund Dickehoseh­afte, die pathetisch geballte Faust und das Kokettiere­n mit »männlicher« Härte bleiben außen vor.

»Punk« hat man bei The Ex zu keinem Zeitpunkt eindimensi­onal als (sub-)kulturelle Strömung oder Modeersche­inung verstanden, sondern als die Idee, frei musikalisc­he Ideen unabhängig vom Zwang zu deren kommerziel­ler Verwertung zu entwickeln. Entspreche­nd hantiert die Gruppe nicht nur mit sägender Krachgitar­re und repetitiv-stoischem Polterschl­agzeug, verbleibt also ästhetisch nicht im Sonic-Youth-Universum. Schon gar nicht sollte sie mit dem sowohl textlich als auch musikalisc­he he run ambitionie­rten Wirwolln keine Bullens ch weine-Politpunk in dieselbe Schublade gesteckt werden. Enge Verbindung­en pflegt man bei The Ex schon immer zur freien Impro-, Kunst- und Experiment­almusiksze­ne und zum Free Jazz, kollaborie­rte etwa auch mit Folk- und sogenannte­n Weltmusike­rn aus Ghana, Äthiopien oder dem Kongo.

Im Jahr 2009, zum 30. Geburtstag der Band, schrieb der Popkritike­r Martin Büsser: »Das ist ungewöhnli­ch, denn das Umfeld, in dem The Ex sozialisie­rt wurden und in dem sie bis heute noch oft spielen, ist musikalisc­h – vorsichtig ausgedrück­t – sehr konservati­v. Die Rede ist von der autonomen Linken. Deren Musikgesch­mack hat sich in den vergangene­n 30 Jahren so wenig verändert wie der Speiseplan in den Volxküchen. Nahrungsau­fnahme und Musik dienen da vor allem der Selbstverg­ew iss erung, die richtige Gesinnung zu haben.« Eine Beobachtun­g, die wohl auch noch im 39. Jahr des Bestehens von The Ex zutrifft.

The Ex: »27 Passports« (Ex Records/Cargo)

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Foto: Susana Martens Kein unambition­ierter Politpunk: The Ex auf der Bühne
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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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