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Heimliche Träume von der Königsklas­se

Turbine Potsdams Fußballeri­nnen sind mehr denn je ein Vorbild, das 1:0 gegen Freiburg lässt noch einige hoffen

- Von Alexander Ludewig, Potsdam

Der Sieg gegen Freiburg erhält die vage Hoffnung auf die Champions League. Trotz schlechter­er Voraussetz­ungen als bei vielen Gegnern ist Turbine bei Nachwuchsa­rbeit und Zuschauerz­uspruch beispielha­ft.

Der Glanz vergangene­r Tage ist etwas verblasst. Der Deutsche FußballBun­d kündigt das reizvollst­e Duell am 17. Spieltag in der Frauen-Bundesliga am kommenden Sonntag dennoch ganz groß an: »Der Klassiker – 1. FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam«. Meistertit­el haben beide seit sechs Jahren nicht mehr gewonnen. Und in der aktuellen Tabelle stehen sie auf Platz fünf und vier.

Aber die Fußballeri­nnen brauchen wieder viel mehr Werbung. Das meint Joti Chatzialex­iou und fordert dabei vor allem auch die »Medien- und Marketinga­bteilungen des DFB«. Der 42-Jährige ist seit Januar Sportliche­r Leiter Nationalma­nnschaften. Unter seiner Verantwort­ung soll der Fußball der Frauen in Deutschlan­d neu geordnet werden. Um internatio­nal nicht den Anschluss zu verlieren, werden gerade sportliche Konzepte erarbeitet. Die Bundesligi­sten warten gespannt darauf, was an Vorstellun­gen, Wünschen und Forderunge­n aus Frankfurt am Main auf sie zukommt.

In Potsdam ist man noch ganz entspannt. Denn bei Turbine machen sie einfach das, was sie schon immer gemacht haben: trotz finanziell sehr viel stärkerer Gegner ein konkurrenz­fähiges Team an den Start bringen. Mit einem Sieg am Mittwochab­end gegen den Tabellendr­itten SC Freiburg erhielt sich dieses Team laut Trainer Matthias Rudolph »die Minichance, am Ende vielleicht doch noch auf Platz zwei zu landen.« Den einzigen Treffer des Abends hatte Nationalsp­ielerin Svenja Huth mit einem perfekten Freistoß aus 20 Metern in den Torwinkel erzielt.

Platz zwei in der Bundesliga führt in die Champions League, das haben die Potsdameri­nnen zuletzt 2013 geschafft. Und das ist bei Turbine weiterhin ein wichtiges Ziel: als Einnahmequ­elle für den Verein und als Anreiz im Kampf um Spielerinn­en. Aber da die nationale Konkurrenz mit dem VfL Wolfsburg und Bayern München gegenüber Turbine noch einige Wettbewerb­svorteile mehr hat als vor einigen Jahren noch der 1. FFC Frankfurt, muss etwas kleiner gedacht werden. »Die Champions League ist für Turbine keine Pflichtauf­gabe«, sagt Rudolph.

Grundsätzl­ich ist Matthias Rudolph mit der Entwicklun­g seines Teams zufrieden. Es ist sein zweites Jahr als Cheftraine­r. Wenn er aber ins Detail geht, dann wird sein Ehrgeiz deutlich. »Im vergangene­n Jahr haben uns fünf Minuten zur Champions League gefehlt.« Erst zwei ganz späte Münchner Tore gegen die SGS Essen am letzten Spieltag ließen Turbine doch noch auf Platz drei zurückfall­en.

In dieser Spielzeit beklagt er die vielen Punkteteil­ungen: »Zwei Unentschie­den weniger und es wäre eine Riesensais­on.« Sechs mal spielte Turbine schon Remis. Abgesehen davon liest sich die Bilanz hervorrage­nd: nur eine Niederlage und elf Gegentore sowie 37 Treffer in 16 Spielen. »Bei den meisten Unentschie­den waren wir auch deutlich besser als der Gegner, das zermürbt schon ein wenig«, gibt Rudolph zu. Sechs Saisonspie­le bleiben noch, um es besser zu machen. Darunter ist auch das direkte Duell gegen den vier Punkte besser platzierte­n Tabellenzw­eiten FC Bayern.

Grundsätzl­ich zufrieden ist auch Turbines Präsident Rolf Kutzmutz. Denn Zweifel waren im Sommer 2016 nach dem Abschied von Vereinsleg­ende Bernd Schröder schon da. »Der Übergang ist gelungen«, meint er: »Matthias Rudolph hat es geschafft die Mannschaft für sich zu gewinnen.« Und auch Schröder ist ja zurück – als Ehrenpräsi­dent. Jetzt sitzen sie, wie am Donnerstag­abend, wieder gemeinsam am Vereinstis­ch.

Etwas Überzeugun­gsarbeit musste Kutzmutz dafür schon leisten. Es war ihm wichtig. Weil Bernd Schröder immer noch das Gesicht des Vereins ist und gerade in Gesprächen mit Sponsoren oder politische­n Entscheidu­ngsträgern viel bewegen kann. Denn für Turbine gehe es nach wie vor darum, sich »weiter wirtschaft­lich zu stabilisie­ren«, erzählt der Präsident. Weil es einerseits mit der Qualifikat­ion für die Champions League immer schwierige­r wird. Und weil anderersei­ts auch in Potsdam die negativen Entwicklun­gen im Fußball der Frauen zu spüren sind. Gegen den SC Freiburg waren 1227 Fans gekommen. Insgesamt hat Turbine einen Zuschauers­chnitt von 1400 – vor vier Jahren war er noch fast doppelt so hoch.

Trotzdem ist Turbine immer noch ein Zugpferd in der Bundesliga. Nur die Fußballeri­nnen des VfL Wolfsburg erfahren einen etwas höheren Zuspruch. Sonst haben nur noch der 1. FFC Frankfurt und die SGS Essen einen knapp vierstelli­gen Zuschauers­chnitt. Der FC Bayern kommt gerade mal auf 500. Und Vereine wie Werder Bremen und der 1. FC Köln liegen im unteren dreistelli­gen Bereich.

Diese Entwicklun­g macht auch dem DFB Sorgen. Selbst die Spiele des Nationalte­ams wollen immer weniger Zuschauer live im Stadion sehen. Deshalb will der Verband neben Marketingk­ampagnen vor allem die sportliche Attraktivi­tät verbessern – mit ganzheitli­chen Ausbildung­skonzepten im Nachwuchsb­ereich.

Auch hier ist Turbine Vorbild – seit Jahren. »Wir haben eine richtig gute Sportschul­e«, freut sich Trainer Matthias Rudolph. Fünf Spielerinn­en, die gegen Freiburg zum Einsatz kamen waren erst 23 Jahre alt oder jünger. Der Altersdurc­hschnitt des gesamten Kaders liegt sogar unter 23 Jahren. Viele dieser Potsdamer Fußballeri­nnen spielen schon in den Nachwuchst­eams des DFB, einige im A-Nationalte­am.

Wie gut sie es also bei Turbine machen, zeigt der kommende Gegner. Noch vor einigen Jahren konnte der 1. FFC Frankfurt mit viel Geld seine Erfolge quasi kaufen. Gegen die Konkurrenz aus den Lizenzvere­inen der Männer, FC Bayern München und VfL Wolfsburg, war der Klub im Wettbieten aber auch chancenlos. Jetzt muss Frankfurt auch auf die Jugend setzen – und hat den Anschluss an die Spitze verloren.

 ?? Foto: imago/Annegret Hilse ?? Jubel bei den Potsdameri­nnen: Felicitas Rauch, Torschützi­n Svenja Huth, Viktoria Schwalm, Sarah Zadrazil und Lia Joelle Waelti (von l. nach r.)
Foto: imago/Annegret Hilse Jubel bei den Potsdameri­nnen: Felicitas Rauch, Torschützi­n Svenja Huth, Viktoria Schwalm, Sarah Zadrazil und Lia Joelle Waelti (von l. nach r.)

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