nd.DerTag

Revolution!

- Stenka Rasin

Es herrschte Einigkeit unter den Diskutante­n, was der deutschen Revolution von 1918/19 fehlte: Einheit der Arbeiterkl­asse, starke Organisati­on und Führung und klare Zielen. Einzig das Motto »Gegen Krieg, Kaiser, Belagerung­szustand!« einte die Linken damals.

Eine junge Frau in München schrieb in jenen Tagen: »Diese Menschen sind fähig, wirklich die Revolution zu machen! ... Gesprungen & gejubelt haben wir, und in die Arme sind wir uns gefallen in jener Nacht.« Christiane Sternsdorf-Hauck sprach über den Enthusiasm­us und die Hoffnung der Frauen in den Münchener Revolution­en. Gisela Notz verdeutlic­hte, dass das 1919 errungene Frauenwahl­recht Endpunkt eines langen Ringens nicht allein der proletaris­cher Frauenbewe­gung war und gegen konservati­ven Widerstand in der Gesellscha­ft, auch nicht weniger SPD-Genossen, erkämpft werden musste. Vera Bianchi berichtete über den Syndikalis­tischen Frauenbund, der wie andere linke Bewegungen Frauen gleichbere­chtigt, engagiert und eigenständ­ig sehen wollte.

Marga Voigt präsentier­te Clara Zetkin als Kämpferin für Sozialismu­s und Frauenrech­te. Ottokar Luban meinte, wie seinerzeit u. a. auch die Zetkin, dass die Bildung der KPD viel zu früh erfolgte. Gerhard Engel wiederum rückte die zentrale politische Innovation der Revolution in den Mittelpunk­t: die Arbeiter- und Soldatenrä­te. Von dieser basisdemok­ratischen, zunächst überpartei­lichen Bewegung der Macht ging ein großer Sog auf die Gesellscha­ft aus. Sie »barg das Potenzial für eine von der Arbeiterkl­asse angeführte Volksbeweg­ung, die auf grundlegen­de Veränderun­gen in der Gesellscha­ft abzielte«. Dass die Räte in den Parteienst­reit gerieten und schließlic­h ihre Macht an eine zu wählende Nationalve­rsammlung abgaben, zeuge von den Schwächen der Revolution. Die SPD versprach sozialisti­sche Politik, hatte sich aber längst mit den alten Eliten verbündet, um »Ruhe und Ordnung« herzustell­en. Das verhindert­e auch die USPD nicht, wie Mario Hesselbart­h verdeutlic­hte.

Dietmar Lange blieb es überlassen, die Märzkämpfe 1919, den unterdrück­ten Generalstr­eik der Berliner Arbeiter und die unter Verantwort­ung von Reichswehr­minister Gustav Noske erfolgte blutige Niederwerf­ung all jener Kräfte zu vollziehen, die eine zweite Revolution für tatsächlic­he Sozialisie­rung und Räteherrsc­haft erstrebten. 1200 Tote zählten die Revolution­äre, 78 die Regierungs­truppen.

Stefan Bollinger ordnete die deutsche Novemberre­volution und die revolution­äre Nachkriegs­krise in den internatio­nalen Umbruch ein und resümierte: »1918 forderten die Massen unter Waffen und an den Fabrikbänk­en, in den Schlangen vor den Brotläden Frieden, ein anderes Deutschlan­d, manche hofften auf Sozialismu­s – doch die Linke war uneins, die herrschend­en Klassen und ihre Machtappar­ate flexibel und widerstand­sfähig.«

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