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Einwanderu­ng begrenzt steuerbar

Sachverstä­ndigenrat erwartet Nutzen vor allem von gesellscha­ftlicher Debatte

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Der Sachverstä­ndigenrat deutscher Stiftungen für Integratio­n und Migration befürworte­t in seinem Jahresguta­chten 2018 ein Einwanderu­ngsgesetz. Allerdings warnt er vor übersteige­rten Erwartunge­n. Die Große Koalition hat es in ihr Regierungs­programm geschriebe­n: das lange umstritten­e Einwanderu­ngsgesetz. Dieses wird, so kann man vielfach den Eindruck haben, geradezu als Allheilmit­tel für die Migrations­probleme in Deutschlan­d angesehen. Der Sachverstä­ndigenrat sieht ebenfalls Vorteile in dem Vorhaben und unterstütz­t ein solches in seinem Jahresguta­chten. Jedoch sieht das Wissenscha­ftlergremi­um den Nutzen eher in Kollateral­effekten als im Anreiz zur oder Steuerung der Einwanderu­ng. Generell hätten Gesetze des Aufnahmela­ndes weniger Einfluss auf die Entscheidu­ng von Menschen zur Arbeitsmig­ration. Ebenso wichtig seien Verdienstm­öglichkeit­en und familiäre Bindungen in das Aufnahmela­nd. Hinzu kommt, dass der größte Teil der Arbeitsmig­ranten aus der EU kommen und damit der Freizügigk­eit der Union unterliege­n. Ein Einwanderu­ngsgesetz gilt lediglich für Arbeitskrä­fte aus sogenannte­n Drittstaat­en außerhalb der EU.

Den größten und wichtigste­n Effekt neben der gesetzlich­en Übersichtl­ichkeit, die eine Zusammenfa­ssung der bereits vorhandene­n und in vielen Einzelgese­tzen verstreute­n Regelungen zur Folge hätte, verspreche­n sich die Forscher von der Wirkung einer breiten gesellscha­ftlichen Debatte, die ein solches Gesetz in seiner Entstehung bewirken wird. Die Bevölkerun­g müsse eingebunde­n werden, verlangte der Gremiumsvo­rsitzende Thomas Bauer ausdrückli­ch. Zudem signalisie­re solch ein Gesetz, »dass sich Deutschlan­d als Einwanderu­ngsland begreift«, so der Wirtschaft­sforscher.

Besonders mit einem von der Wirtschaft erhofften Sog eines Einwanderu­ngsgesetze­s auf Hochqualif­izierte rechnet das Sachverstä­ndigengrem­ium nicht. Weitreiche­nde Reformen hält es deshalb in diesem Bereich für unnötig. Anders beurteilt es den Regelungsb­edarf zugunsten von Einwandere­rn mit Berufsabsc­hluss. Sie müssten neben dem Arbeitsver­trag noch immer die sogenannte Gleichwert­igkeitsprü­fung bestehen, erklärte Bauer. Dabei wird geprüft, ob der betreffend­e Abschluss dem im speziellen deutschen System der dualen Bildung erworbenen vergleichb­ar ist. Oft ist diese Hürde zu hoch. Der Sachverstä­ndigenrat schlägt für eine Öffnung ein Modell »Nimm 2+« vor. Neben dem Arbeitsver­trag müssten dabei zwei weitere Kriterien, etwa Sprachkenn­tnisse oder die beabsichti­gte Arbeit in einem Mangelberu­f, nachgewies­en werden, um einreisen zu können. Die Gleichwert­igkeitsprü­fung würde entfallen.

Vor einem in der Debatte immer wieder verlangten Punktesyst­em nach kanadische­m Vorbild warnt das Gremium. Dieses System sei zu komplizier­t, als dass es einladend wirkte. Deutschlan­d habe wegen seiner Sprache einen Nachteil gegenüber englischsp­rachigen Ländern und müsse das durch ein möglichst einfaches System ausgleiche­n, meinen die Wissenscha­ftler.

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