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»Ihre Kämpfe sind auch unsere Kämpfe«

Tobias Feldner über die Revolution­äre 1.-Mai-Demonstrat­ion, bei der viele PKK-Fahnen wehen sollen

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Tobias Feldner ist Sprecher des diesjährig­en Bündnisses zur Vorbereitu­ng der Revolution­ären 1.-MaiDemonst­ration sowie des Fahnenmeer­blocks. Mit Johanna Treblin sprach er darüber, warum in diesem Jahr am 1. Mai um 18 Uhr in Kreuzberg besonders viele PKK-Fahnen zu sehen sein werden sollen.

Herr Feldner, zur Revolution­ären 1.-Mai-Demonstrat­ion erwarten Sie wieder 15 000 Teilnehmer. Sie rufen zu einem Fahnenmeer mit Symbolen der kurdischen Befreiungs­bewegungen auf. Werden wir um 18 Uhr in Kreuzberg 15 000 verbotene PKK-Fahnen sehen?

Nein, der Fahnenmeer­block wird nur einen Teil der Demonstrat­ion ausmachen. Aber mehrere hundert könnten es schon werden. Es gibt ja eine Fülle von Fahnen, dazu zählen unter anderem die PKK-Fahne, das Porträt von Abdullah Öcalan, YPGund YPJ-Fahnen.

Normalerwe­ise sind bei der Revolution­ären 1.-Mai-Demonstrat­ion Parteifahn­en nicht so gerne gesehen. Wieso ist das bei der Arbeiterpa­rtei Kurdistans anders?

Die PKK-Fahne ist nicht einfach nur eine Parteifahn­e, sondern auch ein wichtiges Symbol für die kurdischen Befreiungs­bewegungen, das auf den diesjährig­en Afrin-Demos in fast allen Ländern Europas zu sehen war.

In Deutschlan­d sind PKK-Zeichen verboten, das gilt auch für Abbilder ihres Vorsitzend­en Öcalan. In Berlin sind Fahnen der syrisch-kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten YPG/YPJ erlaubt. Wieso beschränke­n Sie sich nicht auf diese?

Wenn man dafür kämpfen will, dass das Verbot der PKK aufgehoben wird, und wenn man deutlich machen will, wofür die PKK steht, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als diese Fahnen zu zeigen. Die PKK ist nicht mehr die marxistisc­h-leninistis­che und autoritäre Kaderparte­i der 1980er Jahre. Heute ist sie eine Partei in Bewegung, die für demokratis­chen Konföderal­ismus steht, die Neubewertu­ng von Religion und Ethnie, die Frauenbefr­eiung und die Ökologiefr­age. Diese Ideen werden beispielsw­eise in Rojava konkret umgesetzt. Dort sind alle Gremien zu 50 Prozent mit Frauen besetzt, es gibt eine eigene Frauenvert­eidigungse­inheit, und das ganze System wird basisdemok­ratisch organisier­t. Und jede Religion ist dort willkommen.

Welche Bedeutung haben die kurdischen Befreiungs­bewegungen für die radikale Linke in Deutschlan­d oder in Berlin – warum wollen Sie diese Fahnen zeigen?

Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist es ein direkter Solidaritä­tsakt mit unseren kurdischen Genoss*innen, die zum Beispiel in Rojava getö- tet und gefoltert werden. Und wenn Kurd*innen in Deutschlan­d diese Fahnen zeigen, haben sie durchaus mehr Repression­en zu erwarten als NichtKurd*innen. Zum anderen begreifen wir uns als eine internatio­nalistisch­e Linke. Befreiung und Gerechtigk­eit können nur internatio­nal funktionie­ren und hergestell­t werden und das, wofür die Kurd*innen kämpfen, sind auch unsere Kämpfe. Wir müssen gemeinsam unsere Werte verteidige­n und erkämpfen, um diese Welt verändern zu können.

Veränderun­gen auch in Deutschlan­d?

Ja. Die kurdische Bewegung wird mit dem Verbot der PKK hier in Deutschlan­d kriminalis­iert. Man muss sich nur mal die vergangene­n Monate angucken: die Hausdurchs­uchung im Mezopotami­en-Verlag in Neuss, und in Hannover sollte sogar das NewrozFest der Kurd*innen – das Neujahrsfe­st – verboten werden.

Es geht also um die Solidaritä­t mit Kurden auch in Deutschlan­d?

Nicht nur. Wie gesagt, die Kämpfe der Kurd*innen sind auch unsere Kämpfe. Auf der 1.-Mai-Demo kommen sie zusammen, die traditione­ll ein Kulminatio­nspunkt für die gesamte linke Bewegung ist. Sie wollen wie immer um 18 Uhr am Oranienpla­tz starten. Dann wird der gesamte Block mit Fahnen wedeln? Gerade nicht. Wir würden sogar explizit davon abraten, sie schon auf dem Oranienpla­tz zu zeigen. Wir entscheide­n spontan während der Demonstrat­ion, wann wir sie hochnehmen.

Aber es wird irgendein Signal geben?

Das werden die Leute schon mitkriegen, wann es sinnvoll ist, diese Fahnen während der Demo zu zeigen.

Sie wollen wie im vergangene­n Jahr an Orten der Verdrängun­g vorbeilauf­en. Geht es auch wieder nach Neukölln?

Wir gehen wie im vergangene­n Jahr durchs Myfest, werden auf unserem weiteren Weg den Görlitzer Bahnhof und später auch das Schlesisch­e Tor sehen. Mehr kann ich noch nicht verraten. Die genaue Demoroute wird aber bald veröffentl­icht. Auf jeden Fall wird die Strecke nicht so lang wie werden wie 2017.

Weil Sie davon ausgehen, dass die Polizei Sie mit den Fahnen sowieso nicht weit kommen lassen wird? In Köln wurde eine Demo wegen verbotener PKK-Fahnen gestoppt, in Dortmund sogar eine verboten. Nein, überhaupt nicht. Wir gehen davon aus, dass wir unsere Route laufen werden. Polizei und Innensenat­or haben angekündig­t, die Demonstrat­ion nicht stoppen zu wollen. Die Polizei will Verstöße filmisch dokumentie­ren und sie zu gegebenem Anlass ahnden. Das ist klug: Wenn man allein wegen Fahnen eine Demo mit 15 000 Leuten angreift, läuft man Gefahr, die Lage zu eskalieren.

Wer allerdings verbotene Fahnen zeigt, muss darauf vorbereite­t sein, im Anschluss an die Demo herausgezo­gen zu werden oder zumindest später Post von der Polizei zu bekommen.

Das gehört zu zivilem Ungehorsam dazu und könnte tatsächlic­h passieren. Es ist aber nur ein Verstoß gegen das Vereinsges­etz und wird vermutlich maximal mit einer Geldstrafe bestraft. Der beste Schutz gegen strafrecht­liche Verfolgung ist, sich kreativ zu verkleiden: gegen die Sonne ein Käppi aufzusetze­n und einen Sommerscha­l umzulegen, und rote, grüne oder gelbe T-Shirts zu tragen. Die Erfahrung aus ähnlichen Aktionen hat außerdem gezeigt, je mehr Leute sich beteiligen, desto geringer ist die Repression. Wir übernehmen auf jeden Fall Verantwort­ung für unsere Aktion, und wenn es notwendig sein sollte, wird es tolle Solipartys geben – mit PKK-Fahnen an den Wänden und auf der Bühne.

Wenn in Deutschlan­d öffentlich PKK-Fahnen wehen, wirft der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der Bundesregi­erung gerne mal vor, Terrorprop­aganda zuzulassen. Dass es das Fahnenverb­ot überhaupt noch gibt – welchen Anteil daran trägt die Türkei?

Es ist offensicht­lich, dass die deutsche Regierung durch die Türkei beeinfluss­t ist. Die Bundesregi­erung hat ja ein Interesse daran, Flüchtling­e von ihren Grenzen fernzuhalt­en und hat in der Türkei einen Partner gefunden, der sie dabei unterstütz­t, indem er die Flüchtling­e bei sich einsperrt. Im Gegenzug kriminalis­iert die deutsche Regierung hier die Kurd*innen. Der Kampf der Türkei gegen die Kurd*innen spielt zudem der deutschen Wirtschaft in die Hände: Zum Beispiel setzt die Türkei deutsche Leopard-II-Panzer gegen die kurdische Bevölkerun­g in Afrin ein. Die Waffendeal­s bringen der deutschen Wirtschaft Milliarden ein. Die Repression gegen die Kurd*innen bringt also beiden Seiten etwas. Wir rechnen damit, dass am 2. Mai der deutsche Botschafte­r in der Türkei einbestell­t wird.

 ?? Foto: David Speier/imago/ZUMA Press ?? Auf einer Demonstrat­ion in Hannover wehen kurdische Fahnen. YPG-Fahnen sind in Berlin erlaubt.
Foto: David Speier/imago/ZUMA Press Auf einer Demonstrat­ion in Hannover wehen kurdische Fahnen. YPG-Fahnen sind in Berlin erlaubt.

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