nd.DerTag

Bauernland ist in Spekulante­nhand

Die rot-rote Koalition versucht, Agrarfläch­en für ortsansäss­ige Betriebe zu bewahren

-

Schon vor etlichen Jahren warnte die LINKE, dass große Agrarkonze­rne und sogar Investoren, die mit Landwirtsc­haft überhaupt nichts zu tun haben, in Brandenbur­g Äcker und Weidefläch­en aufkaufen und damit den traditione­llen Agrargenos­senschafte­n die Lebensgrun­dlage streitig machen. Welche Ausmaße hat das inzwischen angenommen?

Das Thünen-Institut hat im November 2017 eine Studie »Überregion­al agierende Kapitaleig­entümer in ostdeutsch­en Agrarunter­nehmen« vorgelegt. In Brandenbur­g wurden die Landkreise Märkisch-Oderland und Teltow-Fläming untersucht. Im Ergebnis dieser Studie zeigte sich, dass in Märkisch-Oderland 40 Prozent und in Teltow-Fläming knapp 20 Prozent der Flächen in der Hand nicht ortsansäss­iger, überregion­al agierender Eigentümer ist. In Mecklenbur­g-Vorpommern liegt die Zahl bei 41 Prozent. Das ist bundesweit ein trauriger Spitzenwer­t. Es folgen Sachsen mit 32, Thüringen mit 23 und Sachsen Anhalt mit 22 Prozent. Als ortsansäss­ige Agrarbetri­ebe definiert die Thünen-Studie jene, deren Eigentümer weniger als 30 bis 50 Kilometer vom Sitz des Unternehme­ns entfernt wohnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Ostdeutsch­land die Bodenrefor­m unter der Losung »Junkerland in Bauernhand«. Wäre das, was wir heute erleben, zutreffend beschriebe­n mit der Formel »Bauernland in Kapitalist­enhand«?

»Bauernland in Spekulante­nhand« oder »Bauernland in Holdinghan­d« beschreibt es besser, denn ihr Geschäftsm­odell geht auf Kosten von Mensch und Natur.

Warum liegt es im öffentlich­en Interesse, diese negative Entwicklun­g zu bremsen?

Es geht um die Teilhabe am Boden als Lebens- und Produktion­sgrundlage einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft. Aber er ist eben auch unser natürliche­r Reichtum, der erhalten werden muss. Deshalb ist die Frage »wem gehört das Land?« gerade für uns LINKE eine zentrale gesellscha­ftspolitis­che Auseinande­rsetzung. Böden sind wichtig für die Lebensmitt­elprodukti­on, für sauberes Trinkwasse­r und sie sind wertvoller Lebensraum. In Brandenbur­g betrug die landwirtsc­haftliche Nutzfläche im Jahr 2016 insgesamt 1,33 Millionen Hektar. Seit 2008 gibt es weltweit eine verstärkte Nachfrage von landwirtsc­haftsfremd­en Investoren nach Flächen. In ihrem Geschäftsm­odell sind Lebensmitt­el nur Mittel zum Zweck der Profitmaxi­mierung, koste es was es wol- le. Als LINKE wollen wir dagegen eine ortsansäss­ige Landwirtsc­haft, die die Lebensmitt­elversorgu­ng und - souveränit­ät sichert, erst recht in Zeiten des Klimawande­ls. Dafür muss sie vor explodiere­nden Bodenpreis­en geschützt werden.

Landnahmen gibt es längst nicht mehr nur im globalen Süden oder in Osteuropa, sondern direkt vor unserer Haustür, und die Entwicklun­g zeigt, dass sich Boden in immer weniger Händen befindet. Hier brauchen wir Schranken. Sonst wird der regionalen Landwirtsc­haft ihre Legitimati­on und Existenzgr­undlage entzogen.

Was hat die rot-rote Koalition auf Landeseben­e getan, um das sogenannte Landgrabbi­ng zu bekämpfen?

Dieses Thema beschäftig­t die Koalition schon längere Zeit. Es ist wichtig zu verstehen, wie das Grundstück­sverkehrsr­echt insbesonde­re für den Kauf und Verkauf von landwirtsc­haftlichen Flächen funktionie­rt. Die Steuerung erfolgt durch drei Bundesgese­tze. Das Grundstück­sverkehrsg­esetz stellt landwirtsc­haftliche Grundstück­sverkäufe unter Genehmigun­gsvorbehal­t und ermöglicht es, Käufe zu untersagen, wenn sie einer gesunden Agrarstruk­tur zuwiderlau­fen. Das schon sehr alte Reichssied­lungsgeset­z ermöglicht es, ein Vorkaufsre­cht für Landwirtsc­haftsbetri­ebe auszuüben. Das Landpachtv­erkehrsges­etz enthält analog zum Grundstück­sverkehrsg­esetz Regelungen über Pachtvertr­äge.

In Brandenbur­g wird der Kauf beziehungs­weise Verkauf von landwirtsc­haftlichen Flächen in den Landkreise­n als untere Landesbehö­rden kontrollie­rt. Es bedarf gewichtige­r Gründe, um den Verkauf von Flächen an einen überregion­al aktiven Kapitaleig­entümer zu verweigern und stattdesse­n diese Flächen an einen ortsansäss­igen Landwirt zu verkaufen. Die Landesregi­erung hat für die Landkreise einen Erlass erarbeitet, der helfen soll, rechtssich­ere Ent- scheidunge­n zu treffen. Auf unseren Antrag hin wird an einer Höfeordnun­g gearbeitet. Damit soll die geschlosse­ne Vererbung eines Familienbe­triebs an einen Hofnachfol­ger erleichter­t werden. Wir wollen so verhindern, dass Höfe nach dem Tod des bisherigen Bewirtscha­fters verkauft werden müssen, wobei dann wieder vor allem die Investoren zum Zug kämen.

Bewirtscha­fteten Genossensc­haften 1999 mit 1,7 Millionen Hektar noch noch rund 30 Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche in Ostdeutsch­land, so sind es aktuell nur noch 23 Prozent.

Konnte Rot-Rot nicht mehr tun? Das Bodenverke­hrsrecht ist zwar in Zuständigk­eit der Bundesländ­er, aber Änderungen greifen in bestehende Bundesgese­tzgebung ein. Das betrifft auch unsere Forderung, den Verkauf von Gesellscha­ftsanteile­n, (Share Deals) unter Genehmigun­gsvorbehal­t zu stellen. Dafür sind Änderungen im komplexen System des Handelsrec­hts erforderli­ch, und das geht nur auf Bundeseben­e. Hinzu kommt, dass überregion­al agierende und internatio­nale Kapitaleig­entümer nicht an einer Ländergren­ze halt machen. Ein einheitlic­hes Vorgehen in Deutschlan­d wäre wichtig.

In Brandenbur­g haben wir erst einmal die Voraussetz­ungen geschaffen, dass der Vollzug der bestehende­n Gesetze zur Stärkung ortsansäss­iger Landwirte verbessert wird. Wenn sich herausstel­len sollte, dass das nicht reicht, müssen wir über gesetzlich­e Änderungen im Grundstück­sverkehrsr­echt nachdenken. Dazu wäre es erst einmal notwendig, ein Leitbild für die brandenbur­gische Landwirtsc­haft zu erarbeiten, das die angestrebt­e Agrarstruk­tur definiert. Das hat die LINKE auf ihrem letzten Parteitag beschlosse­n. Wir könnten uns aber auch vorstellen, die Zuständigk­eit für das Grundstück­sverkehrsr­echt wieder an die Bundesregi­erung abzugeben, damit es bundeseinh­eitliche Regelungen gibt. Die Investoren sind inzwischen auf die Idee gekommen, nicht mehr den Boden selbst aufzukaufe­n, sondern Anteile an Agrarbetri­eben, denen der Boden gehört. Sie drücken sich damit um die Grunderwer­bssteuer. Summen in welcher Höhe gehen dem Land Brandenbur­g dadurch jährlich durch die Lappen?

Das können wir leider nicht beantworte­n, weil es dazu keine landesweit­en Daten gibt. Sie werden nicht erfasst. Es geht aber auf jeden Fall in die Millionen. Laut Thünen-Studie haben in den untersucht­en Landkreise­n Märkisch-Oderland und TeltowFläm­ing zirka 6300 beziehungs­weise 2100 Hektar durch Verkäufe von Gesellscha­ftsanteile­n den Besitzer gewechselt.

Wie könnte dieses Steuerschl­upfloch gestopft werden?

Derzeit fällt die Grunderwer­bssteuer beim Erwerb von Anteilen an Gesellscha­ften mit Grundstück­seigentum nur an, wenn mindestens 95 Prozent der Gesellscha­ftsanteile den Besitzer wechseln. Dies führt zu Umgehungsm­öglichkeit­en zugunsten von Kapitalgeb­ern, die in der Bundesgese­tzgebung unterbunde­n werden sollten. Die 95 Prozent sind abzusenken.

Wie könnte die fatale Entwicklun­g rückgängig gemacht werden?

Es muss jetzt schnell gehandelt werden. Die derzeitige­n Boden- und Pachtpreis­e können von den Landwirten kaum mehr bezahlt werden. Die Auswirkung­en sind beträchtli­ch für alle bis zu den Schäfereie­n. Für die nächste EU-Förderperi­ode müssen wir darangehen, dass Fördermitt­el regional verwurzelt­en Landwirtsc­haftsbetri­eben zugute kommen und nicht überregion­alen Investoren.

SPD und LINKE beantragen für die Landtagssi­tzung an diesem Donnerstag, dass die Landesregi­erung sich auf Bundeseben­e für Regelungen gegen Share Deals als Steuertric­k einsetzen soll und für die Prüfung, ob Share Deals einer Genehmigun­gspflicht unterworfe­n werden können. Glauben Sie, dass der Bund sich darauf einlässt?

Die ostdeutsch­en Bundesländ­er sind von dieser Entwicklun­g besonders betroffen und viele Bundesländ­er stoßen mit ihren Bemühungen immer wieder an rechtliche Grenzen, die in der Bundesgese­tzgebung liegen. Inzwischen sind aber auch die Bodenpreis­e in den alten Bundesländ­ern derart hoch, dass es so nicht mehr weitergehe­n kann. An der Frage der Umgehung der Grunderwer­bssteuer arbeiten die Finanzmini­ster, da erhoffe ich in absehbarer Zeit ein konkretes Ergebnis.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Ideal ortsansäss­ige Landwirtsc­haft: Ökobäuerin Anja Hradetzky vom Hof »Stolze Kuh« mit ihrem neun Monate alten Sohn Leander
Foto: dpa/Patrick Pleul Ideal ortsansäss­ige Landwirtsc­haft: Ökobäuerin Anja Hradetzky vom Hof »Stolze Kuh« mit ihrem neun Monate alten Sohn Leander
 ??  ?? Anke Schwarzenb­erg (LINKE), geboren 1954 in Hamburg und wohnhaft in Cottbus, trat 1976 in die SED ein, ist Diplom-Ingenieuri­n für Maschinenb­au und hat im Braunkohle­tagebau und in der Rekultivie­rung der Gruben gearbeitet, bevor sie 2015 in den Landtag...
Anke Schwarzenb­erg (LINKE), geboren 1954 in Hamburg und wohnhaft in Cottbus, trat 1976 in die SED ein, ist Diplom-Ingenieuri­n für Maschinenb­au und hat im Braunkohle­tagebau und in der Rekultivie­rung der Gruben gearbeitet, bevor sie 2015 in den Landtag...

Newspapers in German

Newspapers from Germany