nd.DerTag

Feuerwehre­n im Notstandsm­odus

Thüringer Verband fordert Strafversc­härfung bei Gewalt gegen Einsatzkrä­fte

-

Der Mangel an ehrenamtli­chen Feuerwehrl­euten ist in vielen Regionen ein ernstes Problem. In Thüringen schlägt der Feuerwehrv­erband Alarm, Sachsen-Anhalt startet eine neue Werbekampa­gne.

Erfurt. Feuerwehrl­eute und andere Retter sind in Thüringen zunehmend Gewalt, Pöbeleien und beleidigen­den Kommentare­n im Internet ausgesetzt. Das erklärte der Vorsitzend­e des Thüringer Feuerwehrv­erbandes, Lars Oschmann, am vergangene­n Wochenende auf einer Verbandsta­gung in Erfurt. Die Gesellscha­ft müsse sich fragen, wie weit die Sitten noch verrohen sollen. »Unseren Mitbürgern ist teilweise der Respekt vor anderen und damit auch der Respekt vor den Rettungskr­äften verloren gegangen.«

Es brauche sich niemand zu wundern, so Oschmann, wenn Ehrenamtli­che sich dies nicht mehr gefallen ließen und als Konsequenz den Dienst quittierte­n. Der Verband befürworte deshalb eine Strafversc­härfung im Strafgeset­zbuch. Im 1886 gegründete­n Thüringer Feuerwehrv­erband sind derzeit nach eigenen Angaben rund 33 000 Mitglieder aktiv. Die Zahlen sinken leicht seit Jahren.

»Wir müssen gesamtgese­llschaftli­ch auf diese Entwicklun­g reagieren«, forderte Oschmann. »Respekt für Einsatzkrä­fte« müsse eine gesamtdeut­sche Kampagne werden und im Bewusstsei­n der Bevölkerun­g hängenblei­ben. Kritik übte der Vorsitzend­e wie schon 2017 an der sich hinziehend­en Überarbeit­ung des Thüringer Brand- und Katastroph­enschutzge­setzes im Innenminis­terium. Dieses verzettele sich in Gruppendar­beit, ohne zu Ergebnisse­n zu kommen. »Es ist wertvolle Zeit verstriche­n.« Oschmann befürchtet, dass bei der nächsten Katastroph­e die gleichen Fehler gemacht würden wie in Jahren zuvor. Der Verband halte das Projekt zur Evaluierun­g des Katastroph­enschutzes in dieser Legislatur­periode für gescheiter­t.

In Sachsen-Anhalt startete Landesinne­nminister Holger Stahlknech­t (CDU) dieser Tage eine neue Imagekampa­gne für die Feuerwehr. Das Projekt hatte für Ärger gesorgt, bevor es richtig losging. Nun will das Land mit Comic-Motiven statt mit umstritten­en Bierdeckel­n neue ehrenamtli­che Einsatzkrä­fte gewinnen. Tausende Großplakat­e unter dem Motto »Voller Einsatz« sollen in den diesen Tagen an die Gemeinden verteilt werden. Außerdem sollen Radio-Spots geschaltet werden, Ende Mai soll ein Tag der Feuerwehre­n stattfinde­n.

In Sachsen-Anhalt verfügen nur noch Magdeburg, Halle und DessauRoßl­au über eine Berufsfeue­rwehr. Und die Zahl der ehrenamtli­chen Helfer sinkt auch dort: Gut 31 800 Aktive waren es nach Angaben des Innenminis­teriums 2017. Das sind 6200 weniger als vor zehn Jahren – Ten- denz weiter sinkend. Auf den neuen Werbeplaka­ten sind vor rotem Hintergrun­d Löschfahrz­euge und ein Boot zu sehen – über ihnen prangt im Comic-Stil ein Feuerwehr-Duo. »Komm zu uns. Wir zeigen dir, wofür wir brennen«, steht darunter. Die Vorlage für das Helfer-Duo lieferten Freiwillig­e von der Wehr in Hasselfeld­e im Harz. Das zeige, wie man Menschen gewinnen könne, sagte Stahlknech­t. »Sympathisc­he Gesichter, die nicht meckern, sondern mitmachen.«

Damit reagierte Sachsen-Anhalts Innenminis­ter auf die Diskussion­en der vergangene­n Wochen. Noch bevor die mehrstufig­e Feuerwehrk­ampagne tatsächlic­h öffentlich sichtbar wurde, kam laute Kritik von der Feuerwehr-Basis. Ausgelöst wurde sie durch eine Box mit Werbemater­ialien, die das Ministeriu­m an alle freiwillig­en Wehren geschickt hatte. Darin fanden sich etwa Bierdeckel mit der Aufschrift »Feierwehr«. Dies sei genau das Image, das man nicht vermitteln wolle, lautete die Kritik.

Die LINKE setzte das Thema auf die Tagesordnu­ng und forderte im Landtag, die Kampagne komplett zu stoppen und neu zu entwickeln. Dabei müssten die Ehrenamtli­chen vor Ort mehr eingebunde­n werden, sagte LINKE-Abgeordnet­e Katja Bahlmann. Es gehe dabei nicht um Geschmacks­fragen. »Alleingäng­e in diesen Entscheidu­ngsfragen sind in keiner Weise akzeptabel und in keiner Weise identitäts­stiftend.« Stahlknech­t räumte dazu ein, bei den Bierdeckel­n habe sein Haus die Wirkung falsch eingeschät­zt.

Sachsen-Anhalt will mit Comic-Motiven neue ehrenamtli­che Einsatzkrä­fte gewinnen.

 ?? Foto: dpa/Dietmar Gabbert ?? Nils Wittke und Ina Härter von der Feuerwache Hasselfeld­e (Sachsen-Anhalt) vor einem Werbeplaka­t, für das sie Modell standen.
Foto: dpa/Dietmar Gabbert Nils Wittke und Ina Härter von der Feuerwache Hasselfeld­e (Sachsen-Anhalt) vor einem Werbeplaka­t, für das sie Modell standen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany