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Privatbahn muss DB Regio anpumpen

Baden-Württember­g: Vergabe des Regionalve­rkehrs im Raum Stuttgart rächt sich

- Von Hans-Gerd Riexinger

Die private Konkurrenz der Bahn ist mit dem Betrieb von schwäbisch­en Regionalzü­gen offenbar überforder­t. Nun muss die Deutsche Bahn mit einem massiven Lokführerv­erleih einspringe­n. Während französisc­he Eisenbahne­r sich derzeit gegen eine schleichen­de Privatisie­rung und Liberalisi­erung des Schienenve­rkehrs und damit einhergehe­nde Verschlech­terungen wehren, zeigt sich auf der anderen Rheinseite gerade in der Praxis, welche fragwürdig­en Folgen Ausschreib­ungen und Wettbewerb im Regionalve­rkehr haben können.

Unter der Regie von Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (Grüne) hatten die zuständige­n Landesbehö­rden Baden-Württember­gs 2014 bei der Vergabe wichtiger Bahnverbin­dungen im »Ländle« entschiede­n, dass die Deutsche BahnTochte­r DB Regio mit ihren schnellen Regionalzü­gen 2019/20 stufenweis­e von angestammt­en Strecken abgelöst werden soll. Betroffen sind wichtige Verbindung­en von Stuttgart nach Bruchsal, Pforzheim, Heilbronn, Würzburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen, Aalen, Crailsheim, Nürnberg und Ulm.

Der DB wurde damals im Ausschreib­ungsverfah­ren nicht der Preis, sondern ein Formfehler zum Verhängnis. Während DB-Regio-Beschäftig­te damals mit einem Sarg gegen drohende Arbeitspla­tzverluste und niedrigere Sozialstan­dards bei den neuen Betreibern protestier­ten, versprache­n die neu zum Zuge gekommenen Privatbahn­en Go Ahead und Abellio sowie Minister Herrmann umfangreic­he Verbesseru­ngen mit dem Betreiberw­echsel ab 2019. Die briti- sche Firma Go Ahead gilt als Produkt und Nutznießer der Zerschlagu­ng der ehemaligen Staatsbahn British Rail im Mutterland der Bahnprivat­isierung. Auf der Suche nach einem Brückenkop­f auf dem europäisch­en Kontinent wurden die Manager im schwäbisch­en Kernland fündig. Abellio wiederum ist ein durch eine privatisie­rte Ausgründun­g der Essener Verkehrsbe­triebe entstanden­er Verkehrsko­nzern. Er wurde vor Jahren von Großbanken an die niederländ­ische Bahn verkauft und verfolgt bundesweit einen offensiven Expansions­kurs im staatlich subvention­ierten und profitable­n Regionalve­rkehr.

Nun zeigen neue Meldungen, dass die Neulinge im schwäbisch­en Eisenbahnw­esen und der als DB-Kritiker bekannte Minister Hermann allem Anschein nach den Mund etwas zu voll genommen haben. So erweist es sich vor allem für Go Ahead offenkundi­g als unmöglich, genügend Lokführer und Zugbegleit­er für einen reibungslo­sen Betrieb der Strecken ab 2019 anzuheuern oder auszubilde­n.

Dass angestammt­e DB-Regio-Beschäftig­te offenbar kaum geneigt sind, ihren DB-Job mitsamt den erworbenen Ansprüchen an den Nagel zu hängen und bei der Konkurrenz ganz neu anzufangen, ist nachvollzi­ehbar. Schließlic­h gibt es bei der DB neben einem Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n wichtige betrieblic­he Sozialleis­tungen, welche die Konkurrenz nicht bietet.

So musste Go Ahead von seinem hohen Ross absteigen und kleinlaut bei der DB anklopfen. Ergebnis: DB Regio stellt den Briten per Werkvertra­g ab 2019 eine größere Zahl von erfahrenen und regional verwurzelt­en Lokführern zur Verfügung, die auf den Strecken rund um Stuttgart eingesetzt werden sollen. Ob Abellio, die zweite Privatbahn, ganz ohne geliehenes Personal der DB Regio klarkommt, muss sich noch zeigen.

Mit der neuen Form von Entwicklun­gshilfe hilft die DB Regio dem britischen Konkurrent­en aus der Patsche und erspart ihm möglicherw­eise eine Riesenblam­age. Bundesweit können Bahnreisen­de ein Lied davon singen, dass Betreiberw­echsel oft mit peinlichen Pannen im Betriebsab­lauf einhergehe­n. Diese sind Bestandtei­l eines europaweit­en Verdrängun­gswettbewe­rbs im zunehmend liberalisi­erten und privatisie­rten Schienense­ktor. Dabei ist die DB treibende Kraft und Getriebene zugleich. Ihre forsch auftretend­en Konkurrent­en sind meistens Ableger internatio­naler Konzerne, die es auf die Staatsgeld­er für den Regionalve­rkehr abgesehen haben.

Es fehlen Lokführer und Zugbegleit­er für einen reibungslo­sen Betrieb der Strecken ab 2019.

 ?? Foto: dpa/Nestor Bachmann ?? Oktober 2017: Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (r.) und Abellios Deutschlan­dchef Stephan Krenz vor einem Zug fürs »Ländle«
Foto: dpa/Nestor Bachmann Oktober 2017: Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (r.) und Abellios Deutschlan­dchef Stephan Krenz vor einem Zug fürs »Ländle«

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