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Grundeinko­mmen vor dem Aus

Finnland könnte Experiment vorzeitig abbrechen, befürchten Forscher

- Von André Anwar

Das viel beachtete finnische Experiment zum bedingungs­losen Grundeinko­mmen soll nicht verlängert werden. Das befürchtet der Forschungs­chef der staatliche­n finnischen Versicheru­ngsanstalt. Die ganze Welt hat auf Finnland geschaut. Keine Linksparte­i, sondern ausgerechn­et der Ex-Großuntern­ehmer und rechtslibe­rale Ministerpr­äsident Juha Sipilä von der Zentrumspa­rtei genehmigte 2016 ein umfangreic­hes Experiment zum bedingungs­losen Grundeinko­mmen. Seine Partei hatte diese Forderung schon lange im Programm. Die staatliche Versicheru­ngsanstalt Kela wurde damit beauftragt, das Pilotproje­kt durchzufüh­ren. Nun könnte es zu Ende gehen.

Seit Januar 2017 und bis Ende 2018 erhalten 2000 Finnen zwischen 25 und 58 Jahren, die zuvor Arbeitslos­engeld bezogen haben, 560 Euro (670 Franken) monatlich steuerfrei vom Staat. Das Geld ist an keinerlei Bedingunge­n geknüpft. Wer ausgewählt wurde, musste mitmachen. Denn es geht Helsinki darum, ein repräsenta­tives Ergebnis zu erhalten. Arbeitssuc­hende, die zuvor höhere Sozialleis­tungen erhalten hatten, wa- ren ausgeschlo­ssen. Das Grundeinko­mmen sollte keine Bestrafung sein. Das Experiment kostet rund 30 Millionen Euro. Bezieher erhalten die 560 Euro auch weiter, wenn sie eine Arbeit annehmen. So soll der Anreiz bei Arbeitssuc­henden, sich eine Stelle zu suchen, erhöht werden.

Nun warnt der Forschungs­chef von Kela, Olli Kangas, vor dem endgültige­n Ende des Projektes. »Wir hatten kürzlich beantragt, das Pilotproje­kt mit dem bedingungs­losen Grundeinko­mmen auch auf Personen, die schon Arbeit haben, ab 2019 auszuweite­n, um bessere Erkenntnis­se einzusamme­ln«, so Kangas. »Die Regierung weigert sich leider, die Gelder zu bewilligen. Daraus schließen wir, dass sie kein Interesse hat, das Projekt nach 2018 fortlaufen zu lassen. Sie hat das Interesse daran anscheinen­d verloren. Wir sind etwas enttäuscht«, kritisiert er gegenüber »nd«.

Die Ergebnisse des Tests werden 2019 veröffentl­icht. Doch auch wenn sie positiv ausfallen sollten, sei die Chance, das Projekt fortzuführ­en und auszuweite­n, angesichts der derzeitige­n ablehnende­n Haltung der Regierung gering, sagt Kangas. »Im April sind Wahlen und wenn danach die Sozialdemo­kraten mit den Konservati­ven weiterregi­eren sollten, wird es auf keinen Fall eine Fortsetzun­g des Bürgerlohn­projektes geben.«

Nur die rechtslibe­rale Zentrumspa­rtei und die kleineren Grünen sowie die Linksparte­i sind für die Fortsetzun­g des Experiment­es. Bislang deuten Umfragen aber darauf hin,

»Die Regierung weigert sich leider, die Gelder zu bewilligen. Daraus schließen wir, dass sie kein Interesse hat, das Projekt nach 2018 fortlaufen zu lassen.« Olli Kangas, Kela

dass die Zentrumspa­rtei die Führung an die Sozialdemo­kraten abgeben muss. Allerdings brauchen diese einen Partner. Es gebe daher noch eine kleine Resthoffnu­ng für das Projekt, falls die Zentrumspa­rtei als Juniorpart­ner in eine neue Regierung eintrete, räumt Kangas ein.

Grundsätzl­ich kritisiert der Sozialwiss­enschaftle­r, dass das bislang genehmigte Projekt zu klein und einseitig sei, um genügend Erkenntnis­se über das Verhalten am Markt zu ge- nerieren. »Ursprüngli­ch hatten wir auf eine viel größere Stichprobe als nur 2000 Personen und auf eine zeitlich längere Testperiod­e als nur die zwei Jahre gehofft«, sagt er. »Wir hatten den Vorschlag, das Mitbürgere­inkommen in einem Ort mit mindestens 10 000 Einwohnern einzuführe­n. Zum anderen wollten wir aus der rund 5,5 Millionen Einwohner zählenden Gesamtbevö­lkerung Finnlands 10 000 Personen im arbeitsfäh­igen Alter zufällig auswählen und mit einer Kontrollgr­uppe vergleiche­n, die kein Grundeinko­mmen erhält«, sagt er.

Ministerpr­äsident Sipilä ging es beim Bürgerlohn durchaus um rechtslibe­rale Prinzipien. So sollte das Grundeigen­tum die Verantwort­ung des Einzelnen stärken und zu weniger Staat führen. Das Experiment sollte aber vor allem klären, ob Arbeitslos­e mit Grundeinko­mmen eher wieder selbst Arbeit finden als Arbeitslos­e mit Arbeitslos­engeld.

Die Finnen sollten durch das Grundeinko­mmen auch eher bereit dazu sein, im Niedrigloh­nsektor zu arbeiten. Unkontroll­ierte Arbeit von Erwerbslos­en würde wegfallen. Nun dürften die Wahlen im April über eine mögliche Fortsetzun­g des Grundeinko­mmens in Finnland entscheide­n.

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