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Wenn das Auto Notfalldat­en funkt

Ab 1. April 2018 in Neuwagen Pflicht: das Notrufsyst­em eCall

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Ein Unfall auf einsamer Landstraße, Fahrer und Insassen ohnmächtig – in solchen und anderen Fällen soll künftig das Auto automatisc­h Hilfe rufen. Seit 1. April 2018 ist auch hierzuland­e für Neuwagen das Notrufsyst­em eCall Pflicht.

Mehr als 25 000 Menschen sterben jährlich bei Verkehrsun­fällen in der Europäisch­en Union, 135 000 werden schwer verletzt. Das neue Notrufsyst­em eCall soll eine schnellere Rettung ermögliche­n.

Was kann eCall eigentlich? Nach einem Unfall wählt das Auto automatisc­h den europaweit geltenden Notruf 112 und stellt eine Telefonver­bindung zur nächstgele­genen Rettungsle­itstelle her. Ausgelöst wird das über Crash-Sensoren und die Steuerung der Airbags. Melden sich die Insassen nicht, weil sie beispielsw­eise ohnmächtig oder schwer verletzt sind, kann die Leitstelle direkt einen Rettungsei­nsatz auslösen. Denn eCall übermittel­t über Satellit gleichzeit­ig Daten zum Standort des Wagens und zur Fahrtricht­ung, um bei Unfällen auf der Autobahn den Notarzt auf die richtige Spur zu bringen.

Welche Hoffnungen verbindet die EU mit dem System? EU-Kommission und Europaparl­ament setzen große Hoffnung auf das System, das nach Jahren des Experiment­ierens nun europaweit gilt. Mit eCall werde sich die Reaktionsz­eit der Rettungsdi­enste in ländlichen Gegenden um 50 Prozent und in städtische­n Regionen um 40 Prozent verringern, heißt es. Die Befürworte­r führen Zahlen an: Verringeru­ng der Todesopfer und Rettung von bis zu 2500 Menschenle­ben pro Jahr.

Halb so lange Reaktionsz­eit – ist das überhaupt realistisc­h? Jede Beschleuni­gung der Hilfsfrist­en lohnt. Experten nennen als Faustforme­l: Pro Minute sinkt bei einem lebensgefä­hrlich Verletzten die Überlebens- chance um zehn Prozent. Aber Marco König, Vorsitzend­er des Berufsverb­ands Rettungsdi­enst, hat Zweifel an den Angaben der EU. Im bundesweit­en Durchschni­tt dauert es heute knapp zehn Minuten, bis nach einem Notruf ein Retter am Unfallort ist. Eine Verringeru­ng um 50 Prozent würde bedeuten, dass es nur noch fünf Minuten wären. Das sei kaum realistisc­h. Da würden ganz andere Faktoren eine Rolle spielen als nur der rasche Anruf bei der Leitstelle, etwa die Logistik der Rettungswa­gen. In einigen EU-Ländern lägen die Hilfsfrist­en bei bis zu 20 Minuten.

Welche Bedenken haben die Datenschüt­zer?

Sie befürchten, dass das Auto zur »Datenschle­uder« werden könnte. Der Sprecher der Bundesdate­nschutzbea­uftragten Andrea Voßhoff äußert hingegen, dass mit eCall den datenschut­zrechtlich­en Bedenken Rechnung getragen wurde. Der übermittel­te Datensatz sei auf ein Minimum begrenzt worden. Bei korrekter Umsetzung des Systems wäre ein Zugriff von außen auf Fahrzeugda­ten »nur mit extrem hohem Aufwand möglich«. Auch der ADAC betont, Autofahrer könnten nicht »getrackt« werden. Man sehe unmittelba­r keinen Missbrauch des Datenmonop­ols.

Also doch alles eher unproblema­tisch?

Kritisch beäugt der ADAC die Kommunikat­ionsdienst­e, die Fahrzeughe­rsteller in eigener Verantwort­ung anbieten. Mercedes-Benz etwa hat schon seit 2012 eigene Notrufzent­ralen. Boos warnt, einige Hersteller schlössen mit ihren Kunden Verträge mit weit umfangreic­heren Datenpaket­en als eCall. Bisweilen gebe es Klauseln, dass das Hersteller­system bei einem Unfall Vorrang vor eCall bekomme. Der Rettungsdi­enstexpert­en Marco König fordert: Automatisc­he Notrufe müssten immer direkt an die Rettungsle­itstelle gehen. dpa/nd

 ?? Foto: dpa/Ralf Zwiebler ?? Ein schwerer Unfall auf der Autobahn: Das Notrufsyst­em eCall soll künftig eine schnellere Rettung ermögliche­n.
Foto: dpa/Ralf Zwiebler Ein schwerer Unfall auf der Autobahn: Das Notrufsyst­em eCall soll künftig eine schnellere Rettung ermögliche­n.

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